30
Jan
Gerhard Richter: “Da muss ich mich dann nicht schämen”
Andrea Schurian: Sie geben ganz selten Interviews. Warum?
Gerhard Richter: Wenn man dann liest, was man gesagt hat, denkt man sich: Oh, wie ist das peinlich. Das ist der Hauptgrund. Eigentlich red ich ja gerne.
A.Sch: Ist es nicht noch unangenehmer, interpretiert zu werden?
Richter: Nein, das ist viel einfacher. Da kann ich ja meckern (lacht). Da muss ich mich dann nicht schämen, weil: Das hab nicht ich gesagt, sondern jemand anderer.
A.Sch: Bei Ihrer Pressekonferenz waren extrem viele Menschen.
Richter: Die werden alle vom Geld gelockt. Sie denken sich: „Wie sieht einer aus, dessen Bilder so hohe Preise erzielen?”
A. Sch: Im Zusammenhang mit Ihrer Arbeit ist heute das Wort „Indifferenz” gefallen. Das scheint mir nicht unbedingt zutreffend.
Richter: Na ja, das hab ich selber angerichtet. In den 1960er-Jahren habe ich diesen Spruch als Schutzbehauptung losgelassen: „Lasst mich in Ruhe, das hat alles nichts zu bedeuten, was ich mache. Die Motive haben keine Bedeutung. Ich bin indifferent.” Natürlich bin ich das nicht. Aber es war gegen eine politisierende Kunst gerichtet, die damals sehr in Mode war und heute wieder ist. Von der ich mich ganz unbedingt absetzen wollte. Ich mache nicht irgendwelche Propaganda-Malereien. Deswegen Indifferenz.
A.Sch: Nichtsdestotrotz galten Sie als eminent politischer Künstler. Stichwort: Baader-Meinhof. Stört es Sie, dass Sie lange auf diesen Zyklus festgenagelt wurden?
Richter: Nein. Außerdem hat man mir auch vorgeworfen, dass ich eben nicht Stellung bezogen habe; ich war nicht für oder gegen, war also nicht richtig politisch.
A.Sch: Claus Peymann hat dem Ex-Terroristen Christian Klar einen Job angeboten …
Richter: Find ich furchtbar. Das ist doch ein Verbrecher, der soll dort bleiben, wo er war. Der ist so uneinsichtig. Schrecklich.
A.Sch: Welches Bild in der Ausstellung mögen Sie am wenigsten?
Richter: „Party”. Das ist so belehrend. Meine Bilder sollen schon eine Aussage haben. Doch die ist so plump, die kapiert jeder sofort. Ich habe mich da inzwischen geschlagen gegeben, weil ich weiß, dass es ein richtig beliebtes Bild ist. Ich hätte es ja weggeschmissen.
A.Sch: Was raten Sie jungen Künstlern, um Erfolg zu haben?
Richter: O Gott - also im Moment wüsste ich keine Antwort darauf, außer Abgeschmacktheiten wie: Bleibt schön selbstständig und fleißig. Die meisten wollen sich sowieso absetzen. Aber es gibt auch welche, die mich kopieren.
A.Sch: Macht Sie das auch ein bisschen stolz? Immerhin werden ja nur große Meister kopiert?
Richter: Na ja, vielleicht haben Sie recht. Es ist gemischt. Egal, ob man mich oder wen anderen kopiert: Schlechte Bilder stören mich schon sehr. Aber … wenn sie mich kopieren … na ja … ist das auch eine Form von Anerkennung.
A.Sch: Von Picasso ist überliefert, dass er immer ein kleines Tänzchen gemacht hat, ehe er zu arbeiten anfing. Haben Sie auch Rituale?
Richter: Nein. Doch: Aufräumen, alles aufräumen, vorbereiten, damit man dann gut hineinkommt in die Arbeit.
A.Sch: Hören Sie eine bestimmte Musik, wenn Sie malen?
Richter: Bach, Cage, Steve Reich. Das sind die Vorlieben. Aber nicht laut und nicht beim Malen. Das würde stören.
A.Sch: Verkürzt gesagt ändern Sie durchaus radikal Ihren Stil. Haben diese Brüche auch damit zu tun, sich nicht mit sich selber zu langweilen?
Richter:: Ja, das kann sein. Es ist lusterzeugend, etwas Neues auszuprobieren. Auch wenn man dann feststellt, dass es eh gar nicht neu ist. Ohne Lust kann man gar nicht anfangen zu malen.
A.Sch: Was war eigentlich Ihre Initiation in Sachen Kunst?
Richter: Ich hatte nichts anderes. Als 14-Jähriger wollte ich Förster werden. Aber schon mit 16 war Kunst das Einzige, wozu ich Lust hatte. Das ist eine ziemlich privilegierte Situation, wenn man schon früh weiß, was man will.
“Gerhard Richter. Retrospektive”, Ausstellung in der Albertina, 30. Jänner bis 3. Mai, tgl. 10-18 Uhr, Mi 10-21 Uhr, Zweibändiger Katalog erschienen im Verlag Hatje Cantz, 39 Euro,
DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.1.2009