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20
Nov

Henri de Toulouse-Lautrec: Malerfürst der Halb- und Unterwelt

Am 24. November 2014 jährte sich derGeburtstag des Malers Henri Toulouse-Lautrec zum 150. Mal. Mit seinen legendären Plakaten wies er den Weg in die Moderne. Ein Porträt

Mit solch erbärmlichen Zeichnungen, beschieden ihm seine ersten Lehrer, würde es wohl nichts mit der Kunst. Doch der Tiermaler René Princeteau und der Modemaler Léon Bonnat irrten gewaltig. Mit seinem kühnen Strich, den mehr als 700 Ölgemälden, tausenden Zeichnungen, hunderten Aquarellen und Lithografien wurde Henri de Toulouse-Lautrec ein wichtiger Wegweiser in die Moderne, ein zeichnender Revoluzzer und hemmungsloser Grenzüberschreiter im Leben wie in der Kunst.Schon als vierjähriger Knirps, so besagt die Legende, habe er zum Zeichnen Kohlestückchen aus dem Kamin gefischt, wenn ihm die Eltern zur Schlafenszeit die Malstifte weggenommen hatten. Später scherte er sich weder um die Unterscheidung zwischen angewandter und reiner Kunst, noch kümmerten ihn Standesdünkel.

Geboren am 24. November 1864 im südfranzösischen Albi, porträtierte der Spross einer reichen Adelsfamilie Landarbeiter und (Liebes-)Dienerinnen. Er soff und zeichnete sich durch die Pariser Nächte und Bordelle, erzählte ohne Schnickschnack von Einsamkeit, Armut und lesbischer Liebe, schenkte den Huren sein Herz, revolutionierte die Plakatkunst und erfand den Starkult, indem er den Schönen der Nacht Namen und Gesicht gab.

Der kleine Graf tat dies gleichermaßen anteilnehmend wie ironisch, voller Neugierde und ohne Vorurteil: ein exzentrischer Bohemien, der die Verkleidung liebte und - wie Fotos belegen - mit Pelzstola und Spitzenhütchen posierte; ein verkrüppelter Malerfürst in der Halb- und Unterwelt, dessen Beine nicht bis zum Boden reichten, wenn er auf einem Hocker sitzend malte. Toulouse-Lautrec litt an Pyknodystose, einer extrem seltenen, Kleinwüchsigkeit verursachenden Erbkrankheit, vermutlich begründet in der inzestuösen Ehe seiner Eltern. Henris Großmütter waren Schwestern gewesen.

Voyeur der Voyeure

Von seiner Familie erhielt er eine großzügige Apanage; zusätzlich erwies sich das Genie vom Montmartre auch noch als gewitztes Vermarktungstalent. Als eines seiner Plakate wegen allzu großer Freizügigkeit nicht affichiert werden durfte, klebte er es kurzerhand auf eine Kutsche. Tout Paris wusste innerhalb kürzester Zeit, dass im Moulin Rouge demnächst La Goulue ihre gelenkigen Beine schwingen würde. Auch die (männliche) Kundschaft der erotischen Vergnügungen bannte er, der Voyeur der Voyeure, aufs Plakat. Besonders delikat Der Fotograf Sescau: Es zeigt seinen Freund, den begnadeten Trinker Sescau mit herabhängenden Hosenträgern versteckt hinter der Kamera und eine geheimnisvolle Dame beim Verlassen des Fotostudios, ihr rotes Kleid über und über mit Fragezeichen übersät. Was ist passiert? Andeutungen gibt das Kameraobjektiv in Form eines drall ins Bild ragenden männlichen Glieds.

Als Teenager, der nach zwei komplizierten Beinbrüchen ans Gipsbett gefesselt war, malte er, der nie mehr würde reiten können, Pferde und Reiter. Auch den bewunderten Vater auf dem Kutschbock eines Vierspänners malte er; und er porträtierte die Mutter: Wie stets hält sie die Augenlider gesenkt, ihr grünes Kleid mischt sich mit grünem Blättergeflirr.

Über die Wäscherin von 1886, eines der ersten Modelle, das nicht aus aristokratischem Umfeld kam, schrieb er seiner Mutter: “Ich male eine Frau, die wirklich goldenes Haar hat.”

Nicht immer schmeichelte der Chronist seiner Zeit den Damen. “Kleines Monster” nannte ihn Sängerin Yvette Guilbert teils kokett, teils gekränkt, als er sie mit “grausamem Stift” eher bissig karikierte denn liebevoll porträtierte: in “Gänsekotgrün”, wie sich ein Kritiker empörte - hager, alt, mit spitzem Kinn und ebensolcher Nase.

Gegen Ende seines kurzen Lebens schuf er feinnervige, subtil kolorierte Zirkusszenen. Er zeichnete sie, als er 1899 nach Schlaganfällen und Alkoholdelirien mehrere Monate in der Nervenheilanstalt verbrachte. Zwei Jahre danach starb der große kleine Künstler an Syphilis im mütterlichen Schloss Malromé.




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