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31
Aug

Sabine Breitwieser: “Ich möchte nicht einzelne Rosinen herauspicken”

Vom New Yorker Museum of Modern Art ans Salzburger Museum der Moderne: Sabine Breitwieser, MdM-Direktorin und Nachfolgerin von Toni Stooss, der das Haus von 2006 bis 2013 leitete, über ihre Pläne

Schurian: Wie gern übersiedeln Sie von New York nach Salzburg?

Breitwieser: Natürlich geht man aus New York immer schwer weg.   Aber nach drei Jahren im Führungsteam stellte ich mir die Frage, wie es weitergeht. In Salzburg habe ich einfach einen größeren Verantwortungsbereich. Obwohl ich am Museum of Modern Art (Moma) viel mitgestalten konnte, habe ich gefühlt, dass da ein in mir schlummernder Teil brachliegt.

Schurian: Haben Sie sich für  Salzburg beworben?

Breitwieser: Ich wurde gebeten, mich dafür zu interessieren. Ehrlich gestanden habe ich Salzburg nicht wirklich in Erwägung gezogen und dachte eher, dass ich nach New York vielleicht in Hongkong oder London landen würde.  Aber man ließ in Salzburg nicht locker – und mich da noch einmal zu bewähren, das Profil des Hauses zu schärfen: Diese Chance finde ich sehr spannend. In der kurzen Zeit, seit ich mich in Salzburg aufhalte, habe ich die Stadt und die Menschen als ungemein positiv erlebt.

Schurian: Wie wollen Sie das Profil schärfen?

Breitwieser: Ich will die Sammlungsaufgabe ins Zentrum rücken. Natürlich steht man da vor allerhand Problemen, zuallererst finanzieller Natur. Aber ich bin überzeugt, wenn man sich etwas vornimmt, findet man auch Lösungen dafür. Kleinere Orte wie Salzburg können durchaus programmbildend wirken – auch aus einem Vakuum heraus. Und dieses Museum hat einige Vacui, Leerstellen, die man interessant füllen kann – ausgehend schon vom Namen: Museum der Moderne. Das ist ja eine der zentralen Fragen der letzten Jahre: Wo steht die Moderne, wenn man sie als großes utopisches Projekt denkt und dabei über den Tellerrand der Kunst schaut im Sinne des modernen Menschen, des modernen Lebens; welche Rolle nehmen dabei die moderne und zeitgenössische Kunst ein? Diese und andere Dinge will ich mit dem Haus und dem Publikum denken.

Schurian: War das, was Ihre Vorgänger gemacht haben, schlecht?

Breitwieser: Das Haus steht auf soliden Beinen, aber mein Eindruck ist: Es gibt inhaltlich sehr viel zu tun. Die Frage ist, welchen Anspruch man stellt. Wenn gute Besucherzahlen und halbwegs prominente Künstlernamen ausreichen, dann kann man zufrieden sein. Nach fast zehn Jahren sollte man sich aber vielleicht der Frage stellen, wofür das Museum steht, ob es mit seinem Programm und seiner Sammlung eine gewisse Bedeutung und Funktion hat, die über die Region hinaus reicht. Ich möchte für das Haus auch verstärkt Anerkennung bei einem fachlich versierten Publikum suchen, eine Interessensgruppe, die immer größer und wichtiger wird für Museen. Betrachten wir die Besucherzahlen von Museen – am Moma sind das am Tag zwischen fünf- und zehntausend Leute –, so wird deutlich, wie viele Menschen ganz unterschiedlicher Art sich für Kunst interessieren.

Schurian: Nur, dass Salzburg nicht einmal 150.000 Einwohner hat und New York mehr als acht Millionen.

Breitwieser: Natürlich. Aber auch die Leute, die das Moma besuchen, sind zum großen Teil Touristen, und ein nicht geringer Teil darunter sind Menschen, die sich mehr oder weniger professionell mit Kunst beschäftigen. Nicholas Serota, der Direktor der Tate Gallery, hat zu mir gesagt: “You have to give me a reason to come.” Und der kommt jetzt nicht wegen eines prominenten Namens, sondern wegen einer Ausstellung, von der er weiß, dass er sie nicht verpassen darf.

Schurian: Ausstellungen für Direktorenkollegen klingt nach Minderheitenprogramm.

Breitwieser: Wenn man alle zusammenzählt, die im Museumsbetrieb arbeiten, kommt man auch auf eine stattliche Zahl (lacht). Nein, im Gegenteil: Ich habe den Eindruck, es gibt in Salzburg ein Publikumspotenzial, das sich aus unterschiedlichen Menschen zusammensetzen kann. Eine Aufgabe des Hauses wird auch sein, ihnen die Wichtigkeit der Ausstellungen deutlich zu machen, also “einen Grund zu geben, uns zu besuchen”. Salzburg strebt an, sich – auch – als Wissensstandort zu profilieren. Dazu kann ich mit Sicherheit einiges beitragen.

Schurian: Wir Kooperationen mit den Salzburger Festspielen geben?

Breitwieser: Das wünsche ich mir sehr. Theatralische, konzertante Kunst ist das Branding der Stadt. Die Idee eines Gesamtkunstwerks - Kunst, die sich mit spartenübergreifenden Formen auseinandersetzt - hat mich immer sehr interessiert und wird als zweites Standbein ausgebaut werden. Dazu gibt es auch schon einige Projekte und Ideen.

Schurian: Welche?

Breitwieser: Ich möchte nicht einzelne Rosinen herauspicken, sondern zu gegebener Zeit den ganzen Kuchen präsentieren. Es gibt viele Modelle bildender Kunst mit Musik, Tanz, theatralischen Formen, die ich in historischen und zeitgenössischen Beispielen aufarbeiten möchte. Kunst, die den menschlichen Körper als Medium einsetzt, wird dabei ein wesentlicher Aspekt sein. Ich möchte aber auch vom Berg hinunter in die Stadt gehen mit Kunstprojekten. Es bedarf doch einiges Aufwandes, ins Museum zu kommen, es ist daher meines Erachtens wichtig, gerade zur Festspielzeit, aber auch generell, die Kunst direkt in die Stadt zu bringen.

Schurian: Werden Sie mit anderen Museen zusammenarbeiten?

Breitwieser: Museumsausstellungen haben in der Regel mindestens zwei, teilweise sogar fünf Jahre Vorlaufzeit. Das heißt, Ausstellungen müssen langfristig geplant werden, um Kooperationen überhaupt zu ermöglichen. Das muss man optimieren. Und wenn man mit großen Museen kooperieren will, braucht man zudem Ressourcen, eine Hausmacht – die eigene Sammlung, die als Trade-off für Leihgaben aus anderen Sammlungen fungiert. Das fehlt hier, man bewegt sich sozusagen in einem luftleeren Raum. Aber ein Museum wird erst ein Museum, wenn es eine Sammlung bzw. eine Sammlungspolitik hat.

Schurian: Sammeln kostet Geld, wie wollen Sie da in Sparprogrammzeiten expandieren?

Breitwieser: Stimmt. Ein Museum braucht viel Geld, das in Europa zu einem überwiegenden Teil von der öffentlichen Hand kommt. Aber ich möchte auch schauen, welche hier ansässigen Unternehmen und Persönlichkeiten sich für das Haus engagieren möchten. Dabei geht es nicht nur um einen finanziellen Transfer, sondern auch um Interesse. Ich halte es für unerlässlich, dass Kultureinrichtungen mit öffentlichen Geldern ausreichend finanziert werden. Ich finde es aber auch großartig, wenn Leute, die im Leben viel erreicht haben, Geld und Macht und Einfluss für die Kunst und ihre Institutionen einsetzen wollen. Und man wird versuchen müssen, wichtige Sammlungen hierherzuholen und diese nicht nur, wie bisher, temporär auszustellen, sondern langfristig ans Haus zu binden. Denn vieles wird man schlichtweg nicht mehr kaufen können.

Schurian: Ähnlich wie Klaus-Albrecht Schröder für die Albertina nach internationalen Sammlungen angelt?

Breitwieser: Vielleicht. Es  gab an diversen österreichischen Museen, auch am MdM, Ausstellungen privater Sammlungen und Institutionen. In den USA ist es tabu, eine Privatsammlung auszustellen, wenn einem nicht Werke auf Dauer zur Verfügung gestellt oder im Idealfall geschenkt werden. Das ist auch grundsätzlich richtig so: Eine private Sammlung zu zeigen, sozusagen zu ihrem Upgrading beizutragen und sie dann wieder ziehen zu lassen, ist nicht Aufgabe eines öffentlichen Museums. Mein Ziel ist es, eine wichtige Sammlung an das Haus zu binden und im Dialog mit den bestehenden Sammlungen zu entwickeln, welche weiteren Impulse für die Sammlung sinnvoll zu setzen sind.

Schurian: Einladungen ab 100 Euro gelten als Anfütterung. Dürfen Sie Einladungen zu teuren Festspielaufführungen oder Galadiners annehmen, etwa von Galeristen, bei denen Sie eventuell kaufen?

Breitwieser: Gute Frage. In meinem letzten Job musste ich einen Code of Ethics unterzeichnen, also strikte Regeln, etwa das private Sammeln betreffend. Doch gerade bei Einladungen kenne ich es genau umgekehrt aus meinen letzten drei Jahren: Da bin ich an die Leute herangetreten und habe sie gebeten, mich zum Essen einzuladen, um in Ruhe besprechen zu können, wie ich Geld bekomme, dass ich etwa für einen Ankauf gesucht habe. Sozialevents dienen jedenfalls dem Fundraising. Und das braucht jedes Museum.       (Der STANDARD, 31.8./1.9.2013, Langfassung)

Sabine Breitwieser (51) leitete von 1988 bis 2007 die Generali Foundation in Wien. 2010 wurde die gebürtige Welserin Chefkuratorin für Medien- und Performancekunst am Museum of Modern Art in New York. Am 1. September beginnt ihre Amtszeit als Direktorin des Museums der Moderne in Salzburg.



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