Salzburger Festspiele: Sachen zum Lachen statt gesellschaftspolitischer Brisanz | Andrea Schurian Schurian,Andrea+Schurian,

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29
Aug

Salzburger Festspiele: Sachen zum Lachen statt gesellschaftspolitischer Relevanz

Zuletzt gab’s dann ja Gott sei Dank doch noch ein kleines Skandälchen bei diesen gemächlich ihrem Ende entgegenplätschernden Salzburger Festspielen. Nämlich: Huch! Die Musiker intonierten beim Jedermann die Internationale, als sie Heinz-Christian Strache im Publikum entdeckten. Bei den Blauen stieß die sanfte Provokation zunächst, wenig erstaunlich, auf unverständige Ohren. Hätte ja zur Inszenierung gehören können, schließlich handelt Hofmannsthals Drama genau davon, ob und wie sehr Geld und Kapital den Charakter verderben. Vertrauend auf die kathartische Wirkung des Theaters hätte das Ensemble also eher froh denn erbost sein sollen, dass die Freiheitlichen die Versendung von Unfrohbotschaften zur Asyldebatte unterbrechen und ihre Aufmerksamkeit wenigstens temporär guten Werken, Nächstenliebe, Respekt, Reue und Gnade zuwenden.

Interimsintendant Sven Eric Bechtolf und “Jedermann” Cornelius Obonya distanzierten sich anderntags. Eh in Ordnung, jeder hat ein Recht auf freie Meinungsäußerung. Aber ein bisschen Widerborstigkeit sollten Kunst und deren Konsumenten schon vertragen. Pikanterie am Rande: Bekanntlich rufen die Freiheitlichen auf ihren Plakaten für die Wiener Wahl die Oktoberrevolution aus. Da passt die Internationale, die bis 1943 die Nationalhymne der aus der Oktoberrevolution hervorgegangenen Sowjetunion war, wie die linke Faust aufs blaue Auge.

Und sonst? Zwar wurden die Subventionen von 13,5 auf 16 Millionen Euro angehoben, aber das Budget von 64,7 auf 59,6 Millionen gekürzt. Großsponsoren wie Mont Blanc fielen aus. Nach Alexander Pereiras Festspielen der – zumindest quantitativen – Superlative gab’s daher heuer ein Sparprogramm, statt 293 Vorstellungen wie noch 2013 nur mehr 188: drei Opern-, drei Sprechtheaterpremieren, Wiederaufnahmen und ja, wunderbare Konzerte. „Unsere Brötchen sind nicht so klein. Vor allem sind sie gehaltvoll und knusprig“, hatte Bechtolf zu Saisonbeginn beteuert. Doch leider hielten die Brötchen nicht, was Bechtolf versprach. Sicher, Fidelio war ein musikalischer Höchstgenuss, Figaro gediegenes Amüsement.

Highlight der Festpiele war sicherlich Wolfgang Rihms Eroberung von Mexico in der Inszenierung Peter Konwitschnys, Gottseibeiuns gepflegter Opernlangeweile. Nicht nur hier wurde übrigens viel und rhythmisch geatmet, gehechelt und gekeucht. Atemübungen waren, scheint’s, Salzburgs heimliches Motto. Klang fast, als würde den Festspielen die Luft ausgehen. Aber Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Und das war heuer offenbar das zweite Motto.

Nichts gegen einfach gute Unterhaltung. Aber es gehört schon Mut dazu, in Krisenzeiten wie den unseren Brechts Dreigroschenoper in ein ohrwurmstichiges Schlagerpotpourri namens Mackie Messer umzudeuten. Oder Shakespeares Komödie der Irrungen in einen zwar gut gespielten, aber derart oberflächlichen Klamauk, der  genauso gut auf jeden Komödienstadel zwischen Hinterwelt und Vorderdorf gepasst hätte. Weniger provinzcharmant war nur der ebenfalls kasperlige Clavigo frei nach Goethe: der war wenigsten ein künstlerisch interessantes Wagnis.

Schade, dass ausgerechnet unter einem Schauspieler-Intendanten das Sprechtheater so derart zahnlos daherkam. Statt gesellschaftspolitischer Brisanz gab’s vor allem platte Sachen zum Lachen. Vielleicht gefällt dies ja dem Kuratorium. (Apropos: Was ist eigentlich mit einer längst fälligen Modernisierung des Festspielgesetzes?) Aber ob es Sponsoren und anspruchsvolles Publikum bei Laune hält? Schon heuer sank die Besucherzahl von 288.225 (im Jahr 2013) auf 262.893.

Wer zu viel übernimmt, übernimmt sich: Bechtolf ist ein großartiger Künstler, der vieles kann, aber zu vieles macht. Bei zwei Inszenierungen wird der Hauptjob – künstlerische Gesamtleitung – zur Nebenrolle. Aber vielleicht zeigt er ja in seinem letzten Salzburg-Jahr, dass er’s richtig gut kann. Belanglosigkeit ist nämlich – künstlerisch wie finanziell — der Festspiele sicherer Tod.



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