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Dez
Arnulf Rainer: Frohsinniges Wetter für die Kunst
04.
Er raucht nicht, trinkt nicht und, seit er auf den Anti-Aging-Papst Johannes Huber hört, isst er auch nichts mehr nach sechzehn Uhr. So gesehen waren die letzten Monate ein wenig hart für Arnulf Rainer: Rund um die Eröffnung seines Museums in Baden im September war Dinner-Cancelling jedenfalls nicht drin; auch nicht, als seine Tochter kürzlich im Rainer-Museum heiratete. Das würden jetzt übrigens viele Paare wollen; und, frohlockt Rainer, der für seine Geschäftstüchtigkeit fast ebenso berühmt ist wie für seine Übermalungen, “das ist gut als neue Einnahmequelle fürs Museum.”
Ehe ihn nun womöglich Festivitäten zu seinem 80. Geburtstag am 8. Dezember wieder vom Abendfasten abhalten, flog Rainer - wie immer um diese Zeit - nach Teneriffa: “Da herrscht frohsinniges Wetter, in Österreich versinke ich im Winter in Melancholie. Ich habe eine Sehnsucht nach Arbeit, der kann ich hier nachgehen.” Aktuell geht er der Bearbeitung von Frauenpostkarten aus der Jugendzeit seiner Mutter nach. Das Salzburger MdM zeigt übrigens bis 7. 2. 2010 eine Serie seiner Frauenbilder.
An konzentrierten Maltagen, ob auf Teneriffa oder in Enzenkirchen, geht Rainer nicht ans Telefon, isst den ganzen Tag nichts, trinkt höchstens Tee, denn “man muss einen leeren Magen haben, sonst geht das Hirn nicht” , Malen sei eine Frage der Konzentration, “ich muss mich beim Malen konzentrieren wie der Schauspieler auf der Bühne.” Je älter er werde, sagt er, umso mehr und umso intensiver arbeite er, mehr noch als früher.
Mit blankem Schaudern erinnert er sich an seine akademische Karriere. 1994 wurden in seinem Atelier an der Akademie am Schillerplatz vierzig Bilder, die zuvor im New Yorker Guggenheim-Museum ausgestellt waren, von unbekannt überschmiert. Wiens Kunst-Society hatte ihren Skandal, es wurde gemunkelt und getuschelt, vermutet und verdächtigt, und noch heute grämt er sich darüber, wie wenig Unterstützung er von der Akademie bekam: “Der damalige Rektor hat zwei Monate danach erstmals den Tatort besucht und festgestellt, das sei ausschließlich meine Privatangelegenheit.” Rainer war zutiefst verletzt, erkrankte schwer und dankte vorzeitig ab.
So bitter das professorale Ende, so frustrierend war auch der studentische Start. Ein Tag an der Hochschule für angewandte Kunst reichte, und Rainer wechselte an die Akademie. Doch “an der Angewandten erlebte ich einen kleinen Schock, an der Akademie einen großen” , nach weiteren drei Tagen brach er seine Studienversuche endgültig ab.
In den Kunstzentren Europas sei er der engstirnigen, postnationalsozialistischen österreichischen Provinzialität entkommen. Außerdem sei er dreimal im Hafen der Ehe gelandet, jeweils gefolgt von Traumscheidungen: “Nie hab ich Alimente zahlen müssen. Im Gegenteil”, feixt er, “die Frauen haben sich gefürchtet, dass sie mir was zahlen müssen.” Ohne Trauschein, aber mit Bestand lebt er seit vielen Jahren mit der Fotografin Hannelore Dietz; gemeinsam mit Tochter Clara bildet sie sein Ausstellungsorganisationskomittee - etwa für seine große Personale in der Münchner Pinakothek im kommenden Frühjahr.
Heilfroh sei er, der Kuratorin beim Bilderschauen im Atelier nicht Gesellschaft leisten zu müssen: “Das regt mich zu sehr auf. Ich sehe sofort, da könnt’ ich noch drübermalen. Ich bin auf Lücken fokussiert, wie ein Zahnarzt.” Nada-Malerei nannte es der Lückenspezialist in den 1950er-Jahren, als er leere Bilderrahmen an die Wand hängte. Bei seinen Nachäffungen versuchte er, die spontane Malgestik von Schimpansen nachzuempfinden. Er beschäftigte sich mit der Kunst Geisteskranker, schluckte unter ärztlicher Aufsicht LSD und Psilocybin und beschäftigte sich in seinen Kruzifikationen mit dem Kreuz als religiösem Paradigma.
Er übermalte Totenmasken, Bilder von Schlangen, Pflanzen, alten Meistern. Fotos, auch von sich selbst: “Natürlich bin ich eitel, jeder Mensch ist das. Aber wer meine Selbstporträts kennt, kann nicht wirklich behaupten, dass ich mich verschönt habe.”
Als altersweise möchte er sich übrigens nicht bezeichnen, denn “das kann man doch von sich nicht behaupten. Aber ich bin altersmilde geworden” . Und das klingt dann so: “Es gibt ja den Ablebensbonus. Ich kenne Künstler, die sagen, sie werden’s nicht mehr lang machen, nur um das Geschäft zu beleben.”
( DER STANDARD/Printausgabe, 05./06.12.2009)