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Jul
Brigitte Kowanz: “Da ist ihnen wirklich etwas passiert”
Überraschend war es schon. Einerseits. Andererseits auch nicht. Denn schon ihre erste Ausstellung 1979 im Forum Stadtpark, gemeinsam mit Peter Weibel und Georg Kargl - ja, genau, der Wiener Galerist machte damals noch selbst Kunst - war ziemlich erfolgreich. Von da an ging es Schlag auf Schlag: Triennale in Mailand im Jahr darauf und Biennalen in Venedig, São Paulo und Sydney und Prospect in Frankfurt, Galerie- und Museumsausstellungen in Europa, USA und China und seit 1997 Vertragsprofessur an der Universität für angewandte Kunst und lichtkünstlerische Interventionen im öffentlichen Raum. Und, und, und.
Keine Frage: Brigitte Kowanz zählt mit ihrer ebenso intellektuellen wie poetischen Kunst zu den erfolgreichen österreichischen Kunstschaffenden ihrer Generation, nein, sie muss ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen.
“Doch wenn man bedenkt, wer da aller auch noch infrage gekommen wäre” , sagt sie und lacht, “dann ist es schon eine mutige Entscheidung. Da ist ihnen wirklich etwas passiert.” Ihnen - das ist der Österreichische Kunstsenat, der das Vorschlagsrecht für den Großen Österreichischen Staatspreis hat. Und passiert ist, dass Brigitte Kowanz diese mit 30.000 Euro höchste Kunstauszeichnung Österreichs am Sonntagnachmittag in Salzburg entgegennehmen wird.
Männerbund Kunstsenat
Eine für Künstlerinnen äußerst rare Ehre und insofern war ihre Wahl dann doch auch wieder überraschend: Seit 1950, als der Preis zum ersten Mal vergeben wurde, gibt es 97 Preisträger, nur acht davon waren bisher Frauen.
Die letzte war Ilse Aichinger vor 14 Jahren. In den Sparten Musik und Architektur war offenbar nie eine Frau gut genug, in der Literatur haben es immerhin sieben Frauen in den Staatspreis-Olymp geschafft, in der bildenden Kunst bisher nur Maria Lassnig. Aber die kriegt nun in ihrem Ressort mit Kowanz weibliche Verstärkung. Die Lichtkünstlerin wird auch in den 21-köpfigen Kunstsenat aufgenommen, neben Lassnig, Aichinger und Friederike Mayröcker die vierte Frau im männerdominierten Bunde, “was immer das bedeutet.”
Genau das - was immer das bedeutet - ist eine der wichtigen werkbestimmenden Fragen in Kowanz’ gleichermaßen kühlen wie poetischen Raumbildern aus Codes und Morsezeichen, Leuchtstoffröhren, Monitoren und Glühbirnen, aus Schatten, Sprache und Zeit. Formeln für Formen. Codierungen, Medien, Schrift sind Koordinaten unserer Informationsgesellschaft und künstlerisches Vokabular von Brigitte Kowanz: “Wir sind in einem ständigen Übersetzungsprozess. Wahrnehmung ist Übersetzung. Sprache ist Übersetzung. Damit arbeite ich.”
Kunst. Licht der Erkenntnis
Also Ziffern und Buchstaben. More L978T beispielsweise ist eine numerische Neucodierung von More Light; “Mehr Licht” - angeblich Goethes letzte Worte. Kunst. Licht der Erkenntnis.
Oder Fernseher und Glühbirne, Indirekte Transparenz - Indirektes Licht, realisiert hat sie das Wandobjekt nach einem Raum-Installations-Konzept aus den 1990er-Jahren: “Wegen der Mumok-Ausstellung im nächsten Jahr schaue ich meine Arbeiten durch. Die Glühbirne mochte ich immer, nicht erst durch den aktuellen Diskurs, weil sie verboten wird.
Die Glühbirne ist Symbol für Elektrifizierung und Erleuchtung, sie ist jenes künstliche Leuchtmittel, dessen Eigenschaften der Sonne am nächsten kommen.” Nach dem Guckkastenprinzip kann man, gefiltert durch die davor montierte Glühbirne, einen Film betrachten. Licht ins Dunkel, sozusagen.
Doch: Was ist Licht? Wie realisiert man es? Inspirieren lässt sich die Mutter eines 13-jährigen Sohnes (”von ihm habe ich gelernt, Prioritäten zu setzen. Er hat Struktur in mein Leben gebracht” ) etwa von dem Philosophen Paul Virilio, der Fernsehen als indirektes Licht beschrieb, “das uns Ereignisse, die anderswo stattfinden, beleuchtet” .
Betrachter ihrer Kunst müssen diese intellektuellen Überbauten und Rückbezüge nicht einsehen und mitdenken, “im Gegenteil. Ich glaube, das ist kontraproduktiv, weil dann der Zauber verlorengeht. Ich denke, man kann mit meinen Arbeiten auch etwas anfangen, wenn man die Formel oder den Code nicht kennt. Für mich sind das wichtige Konstrukte; es sind die Dinge, mit denen ich mich auseinandersetze. Man braucht Input von außen”, sagt sie lächelnd. “Nur von innen geht es nicht.”