Erika Pluhar: Siebzig lachsfarbene Rosen für eine Diva | Andrea Schurian Schurian,Andrea+Schurian,

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28
Feb

Erika Pluhar: Siebzig lachsfarbene Rosen für eine Diva

Nein, Jugendsucht habe sie nicht. Nie gehabt. Auch wenn man am Theater ab fünfzig schon gern zum alten Eisen sortiert würde: “Ich wehre mich dagegen, dass wir uns vor diesen Zahlen fürchten. Dass man das Alter als etwas Schändliches, Entwüdigendes, Schmähliches empfindet. Sich gar jungoperieren lässt. Aber glatt ist nicht jung.” Und jetzt ist Erika Pluhar also siebzig und biegsam wie ein junges Mädchen und hat, so gesehen, leicht lächeln.

Das Lied Was heißt das nur, ich werde alt schrieb sie mit vierzig, “da habe ich noch nicht wirklich unter Alterserscheinungen gelitten. Sicher, mit siebzig ist einem schon klar, dass die Zeit begrenzt ist. Neunzig: Da blieben einem noch zwanzig Jahre. Oder achtzig: Diese zehn Jahre vergehen schnell. Ich nehme das Gegenwärtige viel intensiver wahr als früher. Ich bin überzeugt, dass es vor unserem endgültigen Abschied viele Abschiede gibt. Von den langen Haaren, von der schlanken Figur. Von der glatten Haut. Von der Bühne.”

Hunderte Frauenrollen hat sie verkörpert, gleich nach dem Reinhardt-Seminar wurde sie an die Burg engagiert. Keine billigen TV-Serien, keine filmische Meterware. Schauspielen als Lebenskonzentration: Sie spielte die Hedda Gabler, Maria Stuart, die Regine in Die Schwärmer, die Warja im Kirschgarten die Desdemona in Othello und die und die und ja, die auch.

Und in einer Bodenvase blühen siebzig langstielige lachsrosa Rosen, ein prächtiges Geburtstagsgeschenk vom Burgtheater für eine Diva. Am vergangenen Wochenende spielte sie mit Werner Schneyer im Akademietheater die Dramatisierung ihres Erfolgsromans Verzeihen Sie, ist das hier schon die Endstation?. Für zwei Abende war die Pluhar wieder auf jene Bühne zurückgekehrt, die ihr vierzig Jahre berufliche Heimat war und von der sie sich mit einem riesigen Fest verabschiedet hatte: vor genau zehn Jahren übrigens, an ihrem sechzigsten Geburtstag.

Und auf dem Arbeitstisch ein kleines Kärtchen: “Liebste Mutter, alles Gute … Deine Tochter Anna”. Ebenfalls vor zehn Jahren, am 4. Oktober, starb Erika Pluhars Tochter an einem Asthma-Anfall: “Der Tod meiner Anna war der größte und schwerste und kaum zu ertragende Abschied.” Kein Tag, an dem sie nicht an sie denkt. Kein Tag, an dem sie nicht ein-, zweimal in Großbuchstaben Annas Namen auf ein Blatt Papier schreibt. “Als junges Mädchen war ich mit Freunden in der Donau schwimmen. Die Buben sind durch die Strudeln durchgetaucht und haben mir erklärt: Lass dich hinunterziehen bis auf den Grund. Du musst die Steine spüren. Mit einem Schubser kommst wieder hinauf. Das habe ich mir zur Lebensphilosophie gemacht: Man muss den tiefsten Grunde berührt haben, dann erst kommt man wieder an die Oberfläche. Dann kannst du weiterschwimmen. Weiterleben. Weiterexistieren.” Und weiterschreiben.

Vor Annas Tod hatte sie Verzeihen Sie, ist das hier schon die Endstation? begonnen und nach einigen Monaten wieder fortgesetzt, den bitteren Verlust schreibend durchwandert, das Sterben in die Wüste verlegt: Weil ihre Tochter so gern dorthin gereist ist. Und weil dort auch die familiären Wurzeln ihres Adoptivsohnes Ignaz sind. Ihm allein verdanke sie, dass es sie überhaupt noch gibt: “Heute denke ich mir, Anna hat mit einer seltsamen Vorausschau gewünscht, dass ich ihn adoptiere. Für ihn musste ich weitertun. Irgendwann wundert man sich: Man lacht wieder. Man macht wieder Pläne.” Als nächsten Film plant sie übrigens eine Spurensuche mit Ignaz: “Aus der Wüste und zurück. Die Reise in eine unbekannte Herkunft.”

Fantastische Wirklichkeiten

Erika Pluhar, Schauspielerin, Schriftstellerin, Sängerin, Filmemacherin, geboren am 28. Februar 1939, ein Wiener Bürgermädel, das schon als Kind eigene Welten theaterspielend und schreibend erfand, sich zurückzog in ihre fantastischen Wirklichkeiten. Ihre Freunde und Cousins, erinnert sie sich, habe sie zum Theaterspielen richtiggehend gezwungen.

An diesem Geburtstagswochenende schenkt sie sich und ihren Freunden eine dreitägige Filmretrospektive in Lissabon, pro Abend stehen ein Spielfilm und eine Dokumentation mit und über und von Erika Pluhar auf dem Programm, ganz junge und ganz frühe Werke. Zum Beispiel Marmortische aus dem Jahr 1986: In sechs Dialogen verhandeln Pluhar und André Heller Szenen einer gescheiterten Ehe. Ein ausgesprochen realitätsnaher Film: Heller war - nach Udo Proksch, Annas Vater - Pluhars zweiter Ehemann, den sie 1973 für den Schauspieler Peter Vogel verließ und dessen Frau Gertrud Jesserer wiederum bei André Heller einzog - Liebesschönheiten und -kämpfe und -qualen, “ein Lernprozess, der im Loslassen mündet. Nur, das sagen wir immer so schnell: loslassen. Vielleicht ist es das Schwierigste in unserem Leben. Wir kommen auf die Welt und wir wollen: die Brust. Die Mama. Die Geborgenheit. Und danach müssen wir eigentlich ständig lernen, dass wir die Hände aufmachen und loslassen müssen.”

Lebenslanges Lernen

Erfahrungen sammeln, lebenslanges Lernen als Lebenszweck, immer neue Wege als Ziel. Wenn sie heute ihre frühen Filme anschaut, wird sie mitunter fast ein wenig grantig auf sich: “Ich fand mich wirklich nicht schön, ich war sehr unsicher. Zwar spielte ich schöne Frauen. Aber die habe ich eben nur gespielt und mich geborgen gefühlt in der Gestalt, die ich verkörperte. Aber im realen Leben? Wer mir da wirklich auf die Sprünge geholfen hat, dem ich aber leider nicht helfen konnte, war Peter Vogel. Man braucht offenbar einen privaten Zuspruch. Die Liebe der Welt nutzt einem gar nichts, wenn man sich nicht selber liebt.”

DER STANDARD/ Printausgabe, 28.02/01.03.2008)



Ein Kommentare zu diesem Beitrag. to “Erika Pluhar: Siebzig lachsfarbene Rosen für eine Diva”

  1. Felicitas Stegmann sagt:

    Vielen Dank für Ihren schönen Artikel, Andrea. Ich mag Erika Pluhar als Künstlerin sehr und ich bewundere ihre menschliche Grösse. Falls Sie mir einen Tip geben können, wie ich den Film “Mamortische” als DVD bekommen könnte, wäre ich sehr dankbar. Habe es bisher im Internet vergeblich versucht.

    Alles Gute für Sie!
    Felicitas

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