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Apr
Herbert Brandl: “An der Leinwand verliert sich Ort und Zeit”
Licht- und Farbräume zwischen abstrakt und gegenständlich. Herbert Brandl zählt zu den wichtigstenösterreichischen Künstlern: ein Wald- und Wiesenmaler im besten Sinn der Kunst. In den Hamburger Deichtorhallen ist nun eine Ausstellung mit Riesenformaten zu sehen.
A.Sch: Wollten Sie eigentlich immer Künstler werden?
Brandl: Nein. Urwaldforscher. Aber ich habe relativ früh Aufträge aus dem Dorf bekommen: Blumen, nackte Frauen, Wochenendhäuser und Rehe. Kunst hat mich brennend interessiert, und ich habe mich früh entschlossen, dass ich sonst nichts anderes machen würde - auch wenn es erfolglos sein sollte.
A.Sch: Sie malen Berge, Landschaften, Sonnenuntergänge: Haben Sie keine Angst vor dem Kitsch?
Brandl (lacht): Das ist mir total egal. Ich möchte mit meinen Sonnenuntergangsbildern alle Sonnenmaler ehren und alle Bergmaler, die fürchterliche Berge gemalt haben. Ich habe die Berge der Kunst zurückgegeben.
A.Sch: Ist Ihnen die Natur Inspirationsquelle? Malen Sie realistische Landschaften?
Brandl: Manchmal. Aber vieles entsteht einfach aus der Malerei heraus. Ich gehe nicht in die Natur, um ein paar schöne Bilder zu bekommen, sondern um nichts zu erleben.
A.Sch: Malerei als Sinnsuche für das Leben?
Brandl: Meine Mutter hat den Gottesbegriff aus der Kirche in den Wald verschoben. Sie ist nie in die Kirche gegangen, aber hat mich dauernd in den Wald mitgenommen und mir beigebracht, dass das Göttliche nicht in einer Kirche zu finden ist. Auch nicht auf einem Berg, übrigens.
A.Sch: Sind Sie gläubig?
Brandl: Die Frage ist für mich schon immer präsent: Was bin ich wirklich? Was ist das Jenseits? Was das Diesseits? Gibt es ein Leben vor dem Tod?Und: Gibt es ein Leben nach dem Tod auch noch? Canetti hat einmal gesagt, sein Wunsch wäre es, dass die Menschen aufhören würden, an den Tod zu glauben. Erst dadurch, dass wir an ihn glauben, existiert er. Spürbar sind in uns doch Kräfte - nicht Gott oder Teufel, aber auch nicht nur Kräfte, das wäre zu atheistisch -, dass man vielleicht … ja … doch nur vergängliche Materie ist. Wir gehen ins Ungewisse.
A.Sch: Sehen Sie Ihre Ausstellung in den Deichtorhallen als Fortführung der Biennale von Venedig?
Brandl: Ja, aber ich wollte die Biennale quasi überwinden. (Lacht.) Venedig war vor allem eine Yves-Klein- und Courbet-Verwurstung. In Hamburg geht es eher um den amerikanischen Kunstkritiker Alan Greenberg und seine fatalen Ideen.
A.Sch: Inwiefern fatal?
Brandl: Greenberg forderte, Fläche müsse Fläche bleiben. Raum in das Bild zu bringen, Landschaftsillusion waren verpönt. (Er zeigt auf ein grün-monochromes Bild und lacht.) Schon gar nicht so etwas Osterhasenmäßiges wie dieses hier.
A.Sch: Abstrakt oder gegenständlich: eine Grundsatzfrage?
Brandl: Das verwischt sich bei mir ständig. Bilder sind wie Flächen, die den Raum durch Licht entfalten: Lichträume, Nebelräume, Steinräume.
A.Sch: Hatten Sie ein bestimmtes Konzept für diese Ausstellung?
Brandl: Eigentlich wollte ich nur eine Zusammenstellung aus vorhandenen Bildern zeigen, es mir also leicht machen. Extra für eine Ausstellung alles frisch zu malen (lacht), das macht man eher mit 25. Und dann dachte ich mir, eine gute Einzelausstellung sollte so aussehen, als sei sie von vielen Malern. Ich wollte möglichst unterschiedliche Bilder zeigen.Und ich wollte wieder Berge malen. Das hat sich immer mehr zu einem Bergwahnsinn gesteigert. Ich hatte plötzlich ganze Gebirgsketten vor mir.
A.Sch: Was passiert, wenn Sie malen?
Brandl: Ich bin voll präsent und gleichzeitig wie befreit von dieser Welt. An der Leinwand verliert sich Ort und Zeit.
A.Sch: Ihre Bilder wachsen ja jedes Jahr um ein paar Zentimeter. Für Hamburg haben Sie Riesenformate bis zu sieben Meter gemalt und eigens dafür eine Werkhalle angemietet.
Brandl: Ich probiere immer aus, wie groß ich werden kann, wo meine Grenzen sind. Aber eigentlich wollte ich Zimmerformate. In den Deichtorhallen wirken die Bilder auch so. Dort sind sie nicht wandfüllend. Dieses Bild hier beispielsweise ist sechs Mal drei Meter groß; ich hatte ziemliche Angst vor diesem Format. Ich war körperlich nicht gut beisammen und dachte, dass ich das nicht durchziehen kann. Und dann, eher nebenbei, habe ich den Pinsel genommen und, ohne nachzudenken, zu malen begonnen.
Standard: Als Symptom einer Autoimmunerkrankung sind Ihre Haare ausgefallen. Leiden Sie A.Sch?
Brandl: Anfangs hat mich mein verändertes Aussehen irritiert. Es war so eine Art Persönlichkeitsverlust. Aber im Endeffekt muss man es einfach akzeptieren. In der Kunst sieht man nicht, ob es mir gut oder schlecht geht. Ich male nicht meine Befindlichkeiten oder Gefühle.
Zur Person:
Geboren 1959, aufgewachsen in der Steiermark. Studierte an der Angewandten in Wien. Vor zwei Jahren Österreichs Venedig-Biennale-Teilnehmer. Ausstellung in den Deichtorhallen in Hamburg bis 30. August 2009.
Erschienen am 25./26.04.2009 im Standard