08
Jan
Johann Kresnik: “Das ist Behauptungstheater”
In der Mitte der Bühne ein riesiges hölzernes Hakenkreuz; kein Zweifel, es geht um Nationalsozialismus und seine braunen Ausläufer bis in die Gegenwart. Bis nach Kärnten.
“Am Kärntner Wesen wird die Welt genesen” , wird es später heißen, wenn die Wörter- und Bilderflut immer drastischer wird, Wasser, Blut, Quatsch, nackte Männer, barbusige Frauen. Und viel, viel Stoff, aus dem Johann Kresniks aufwühlende Theatervisionen sind: Sieben Tonnen Kleider, zu 200 Ballen geschnürt, hin- und hergeschoben, zu Mauern aufgeschichtet, erinnern daran, dass in den Konzentrationslagern den Häftlingen ihr Gewand abgenommen wurde als erster Schritt im mörderischen Persönlichkeits- und schließlich Lebensraub.
Auf uns kommt es an, heißt die Jura Soyfer-Collage, mit der der in Südkärnten geborene Weltenbürger Kresnik von Xeno- und Homophobie erzählt, von Nazis und Partisanen, von Mut und Angst, Hoffnung und Verzweiflung, von Erinnern und Verdrängen, von Adolf Hitler und Jörg Haider. Da ist dann auch vom “Lebensmenschen” die Rede, von “verrückten Ortstafeln” , es fallen Worte wie “Slowenisierung” und “KZ Saualpe” .
Kresniks langjähriger Mitstreiter und Dramaturg Christoph Klimke hat die Haider-Passagen zwischen Texte aus Soyfers Weltuntergang und Der Lechner Edi schaut ins Paradies, zwischen Astoria, der Satire auf Österreichs Politik und Vineta, dem Synonym für die “Vergessenheitshauptstadt” Wien hineingewoben, brutal und direkt. Und dazwischen Sofers sehnsuchtsvolle Briefe an seine Freundinnen und vom Bleiburger Weltjazzer Karlheinz Miklin vertonte Lieder.
Finanziert wird der Kresnik-Abend aus dem Budgettopf für die Europaausstellung, Produzent ist der Slowenische Kulturverein, eine so noch nie dagewesene Kooperation. Auch die Besetzung ist ungewöhnlich: Bis auf den ProfiSchauspieler Andreas Seifert, der als Jura Soyfer erzählend, inszenierend durch die Szenenfolgen führt, spielen lauter Laien, Frauen und Männer aus der Gegend. “So wie Soyfer im KZ nicht mit Profis gespielt hat, sondern mit denen, die da waren. So sind halt jetzt wir da” , sagt Michael Stöckl. Und nur eine Mitwirkende wurde von der Nachbarin beschimpft, weil sie mitmacht. Sich auszieht. “Schämen soll ich mich, hat‘s mich angeschrien” , erzählt Helene Zenkel, fast verwundert.
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Standard: Sie arbeiten ja immer wieder mit Laien, aber das Verhältnis zwölf zu eins ist, glaube ich, auch für Sie eine Premiere?
Kresnik: Ich hatte anfangs panische Angst: lauter Laien. In meiner Heimat. Und nicht einmal drei Probenwochen. Das hätte ich vermutlich mit Berufsschauspielern nicht so schnell hingekriegt. Aber ich habe gleich am ersten Abend Textbücher und Rollen verteilt und nach drei Tagen gesagt, dass sie am Montag ihren Text können müssen. Das haben sie auch. Natürlich gibt es immer noch Hänger. Aber das macht auch den Reiz aus. Sie sind toll.
Standard: Haben Sie bei der Auswahl des Soyfer-Stoffes auf den besonderen Ort - das zweisprachige Gebiet - und die spezielle Situation - Laiendarsteller - bedacht?
Klimke: Natürlich. Soyfers Theaterstücke haben keine Tiefenpsychologie, da müssen Sie nicht lange rätseln mit den Figuren. Es ist Behauptungstheater, das können Sie mit Laien genauso gut spielen wie mit Profis. Und es gibt viele Anknüpfungspunkte zum Ort: Wirtschaftskrise, Kapitalismuskritik, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus. Bei Soyfer gibt es das Prinzip Verantwortung - so wie Kresnik, der sagt, jeder ist selbst für politische Zustände mitverantwortlich, ob in der Nazi-Zeit oder auch hier in Kärnten.
Standard: Haider spielt - immer noch - eine große Rolle in Kärnten. In Ihrer Inszenierung machen Sie wenig Unterschied zwischen ihm und Hitler.
Klimke: Vor ein paar Tagen waren wir im Gasthaus. Am Stammtisch sitzen sie von Jung bis Alt und sagen: ‚Der Adolf muss wieder her.‘ Aber nicht als Witz. Und dazu die ganze Haiderplatte, dass er umgebracht wurde. Für mich klang das wie Kabarett. Aber die meinen das ernst.
Kresnik: Haider wird hier wie ein zweiter Jesus vergöttert, obwohl Kärnten am höchsten verschuldet ist und die meisten Arbeitslosen hat. Darüber redet man nicht. Ebenso wenig wie über den Nationalsozialismus oder über die Partisanen. Haider hatte ein ungeheures Charisma, man musste ehrlich bedauern, dass er nicht auf der anderen Seite stand.
Standard: Mit Ihrer Karajan-Revue “Maestro” haben Sie voriges Jahr in Salzburg auch an einem Monument gerüttelt. Heuer ist der Skandal ein medialer Schlagabtausch zwischen Jürgen Flimm und Martin Kušej.
Kresnik: Ich kenne beide, Flimm und Kušej, den ich ja nach Deutschland geholt habe. Wie der sich benimmt, weil er nicht Burgtheaterdirektor wurde, finde ich ganz beschissen. Aber nicht dieses Hickhack, sondern fehlende Inhalte muss man ernst nehmen. Wenn nur mehr elitäre Kunst übrigbleibt wie die Salzburger Festspiele: Das ist das Langweiligste, was es gibt.
Standard: Wie hat Ihnen Kehlmanns Rede gegen das Regietheater gefallen?
Kresnik: Eitel, selbstbezogen und inhaltlich uninteressant. Die konventionellen Inszenierungen nimmt ihm eh niemand weg. Obwohl: Ich könnte schon eine Skandal-Witwe in der Burka machen.
Standard: Stermann und Grissemann hat Kritik am Haider-Mythos nicht gut bekommen. Wurden Sie nun auch bedroht?
Kresnik: Nein, jetzt nicht, aber im Laufe meiner Karriere schon oft: Den Kommunisten Kresnik sollte man umbringen, hieß es. Aber ich will, auch in der Arbeit, vor allem über eine sozialistische Demokratie nachdenken