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Andrea Schurian

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26
Nov

Karl Prantl: Kein Kräftemessen mit dem Stein

Irgendwann wird der Skulpturengarten vermutlich von Pöttsching direkt bis nach Sauerbrunn reichen, kilometerlange Steinspuren in der Wiese, an Erdäpfeläckern und Getreidefeldern vorbei. Jedenfalls kauft Karl Prantl immer wieder ein Stück Burgenland dazu, damit seine Skulpturen Wurzeln schlagen, weiter und immer weiter in die Landschaft hin- einverwachsen können.

„Ich sehe immer die Wesenhaftigkeit des Steines. Zuerst ist der Stein, dann der Baum, und dann, irgendwann, dann erst kommt der Mensch. Und umgekehrt ist es genauso. Ich bin der Nächste, der gehen wird. Dann die Bäume, die wir im Garten gesetzt haben, die Kirsch- und Nussbäume. Und irgendwann vergeht auch der Stein, zerbröselt, wird zu Erde.”

Karl Prantl ist ein stiller Künstler. Er spricht nie laut. Und selten über sich. Auch nicht jetzt, da er mit dem Großen Österreichischen Staatspreis gewürdigt wird. Eigentlich jetzt erst recht nicht. Jahrzehntelang hatte er diese höchste Auszeichnung Österreichs für künstlerisch hervorragende Leistungen, die auf Vorschlag des Österreichischen Kunstsenats jedes Jahr wechselnd in den Sparten Literatur, Musik, bildende Kunst und Architektur verliehen wird, abgelehnt. Nun nimmt er den mit 30.000 Euro dotierten Preis an - aber nur, um Geld und auch das öffentliche Interesse für die Steine von St. Margarethen zu nutzen.

Steinernes Weltkulturerbe

Von Karl Prantl 1959 initiiert, war das Internationale Bildhauersymposium St. Margarethen in den 60er- und 70er-Jahren weltweit Synonym für künstlerische Freiheit, vor allem für Künstler aus dem damaligen Ostblock, aus Polen, Ungarn, der Tschechoslowakei: „Die Einladungen mussten notariell beglaubigt sein, damit unsere Kollegen überhaupt aus ihrem Land hinausdurften. Die meisten sind ohne einen Groschen Geld bei uns angekommen. Die Bedingungen, unter denen sie leben mussten, der Druck, ob durch die Ideologie oder Konfession: Das war erschütternd. Uns da zu öffnen, frei zu denken, das war immer meine Triebkraft.”

Bildhauer-Kollegen griffen die Idee von der gemeinsamen Arbeit am Stein auf, trugen sie weiter in ihre Heimatländer, gründeten Bildhauersymposien rund um den Globus, in Slowenien, Israel, in den USA, Skandinavien - sogar in Japan. Nur in St. Margarethen gibt es längst keine Bildhauersymposien mehr, da mangelte es an öffentlicher Unterstützung und politischem Kunstverstand.

„Als wir dann nur noch Statisten für Touristen waren, die uns bei der Arbeit zugeschaut haben, sind wir hinaus aus dem Römersteinbruch und auf den Hügel hinauf. Aber jetzt sind die Steine auch dort gefährdet durch Märchenland und Openair-Opern. Bei Aida rennen ja Elefanten und Kamele herum.”
Die Margarethener Skulpturen, dieses einzigartige Weltkulturerbe, will Prantl in Sicherheit wissen. „Viele Bildhauer sind schon seit Jahren tot, aber niemand macht sich Gedanken, was mit den Steinen dort passieren sollte.”

Einige besonders gefährdete Skulpturen hat Karl Prantl bereits nach Pöttsching bringen und auf Feldwegen und Ackerrainen wieder aufstellen lassen: Land-Art. Kunst im öffentlichen Raum, die ihresgleichen - nicht nur - in Österreich sucht. Nun signalisieren die Esterházy-Erben, also die Besitzer des Steinbruchs, Kooperationsbereitschaft; und auch das Österreichische Belvedere hat neuerdings eine Zusammenarbeit in den Raum gestellt.

Ein mögliches Glück, nicht mehr von der Landespolitik abhängig zu sein, die den aus den Boden sprießenden Kulturhäusern im Burgenland immer mehr Subventionen zukommen habe lassen als dem Bildhauersymposium, sagt Prantl.

Die Liebe zur Bildhauerei wurde dem Sohn eines burgenländischen Gemeindesekretärs der k. u. k. Monarchie übrigens nicht in die Wiege gelegt; schon eher, dem Großvater sei Dank, die Liebe zur Natur: „Wenn man als Kind den Mähleuten Wasser aufs Feld gebracht hat; oder wenn man über einen Pferdeschädel so drübergleitet mit der Hand: Das ist ein unglaubliches Erlebnis. Dieses bäuerliche Leben mit und in der Natur hat mich immer bewegt. Ich bin froh, dass ich das auf eine andere Weise, mit meinen Steinen, leben kann.”

Kein Kräftemessen

Jeden Tag, am liebsten aber bei gutem Licht, geht Karl Prantl _hinaus zu seinen Steinen im Garten hinterm Atelier: „Die Sonne ist der beste Lehrer - unbestechlich und kritisch. Jeder Professor hat Vorlieben - die Sonne nicht.” Nicht zuletzt deshalb wäre er ja auch dafür gewesen, den Kunstunterrichtsbetrieb neu zu ordnen; nicht im Herbst, wenn es nebelig wird, sondern im Frühjahr sollte der Unterricht beginnen, nicht im universitären Elfenbeinturm, sondern im Steinbruch. Arbeiten mit den Jahreszeiten, wie die Bauern eben: „Aber da haben mich die Professoren in Wien für verrückt erklärt.”

Zwischen 1946 und 1952 studierte Prantl Malerei bei Albert Paris Gütersloh, arbeitete dann aber bald lieber doch nicht mit Farbe und Leinwand, sondern mit Hammer und Meißel. Nicht in Wien, sondern in seinem Heimatort Pöttsching. Nicht im Atelier, sondern unter freiem Himmel.

Seine Steinbildhauerei ist körperliche Schwerarbeit, aber kein Kraftakt. Kein Kräftemessen mit dem Stein, eher ein Hingeben zum Annehmen: Prantl lässt dem Stein das Eigenleben, legt nur vorsichtig frei, was längst vorhanden ist: „Ich gebe einen Impuls weiter, den ich durch minimale Äußerungen empfange. Durch das lange Dransein zeigt sich der Stein letztlich in seiner ganzen Schönheit.”

Seit einem Schlaganfall vor fünf Jahren muss Prantl die manuelle Arbeit an einen Assistenten delegieren: „Diese Krankheit hat für mich ein Innehalten bedeutet. Nachdenken, was passiert ist. Und was noch weiter passieren soll. Ich habe noch einiges vor. Die Fantasie fließt - und so lange lebt man.”

erschienen in Der Standard



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