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27
Jun

Luc Bondy: “Großartig, dass Kultur Hysterie auslösen kann”

Fetwochen-Intendant Luc Bondy über Musiktheater, ein Projekt mit der Burg und seine aktuelle Liebelei in London.

Standard: Wie lautet Ihr Festwochen-Resümee: Sind Sie zufrieden?

Bondy: Zufrieden ist ein Wort, das mir immer etwas fremd ist. Aber ich bin freudig überrascht, dass wir einen so großen Zulauf hatten. Das bedeutet wohl, dass wir eine sehr sehr gute Mischung angeboten haben. Vielleicht war sogar das, was man die Krise nennt, günstig für uns: Ich habe das Gefühl, die Menschen entwickeln geradezu ein tiefes Bedürfnis nach Theater.

Standard: Als Schwachstelle der heurigen Festwochen wurde das Musikprogramm kritisiert …

Bondy: … weil die Erwartungen falsch sind. Das Geld, das uns für Opernproduktionen zur Verfügung steht, ist ja nicht sehr üppig. Die Million, die wir von der Stadt bekommen haben, ging für Mieten direkt in die Kasse vom Theater an der Wien. Trotzdem - und mit Mühe - versuchen wir, mit dem, was uns bleibt, interessante Projekte zu machen, mindestens zwei, drei pro Jahr. Die uns kritisieren, vergessen, dass unsere Produktionen international gefragt sind.

Standard: Wie schaut es diesbezüglich in den nächsten Jahren aus?

Bondy: Also zum Beispiel: Mein Rigoletto, den ich übernächstes Jahr für die Festwochen inszenieren werde, ist jetzt schon an die Met und an die Scala eingeladen. Auch die von Deborah Warner für die Festwochen inszenierte Traviata hat schon viele Angebote. Das Dritte wird Il Trovatore sein, wobei da noch nicht sicher ist, ob ich den inszeniere. Zwei, drei andere Regisseure interessieren sich dafür. Also ganz so mager sieht es nicht aus. Zu diesen Projekten kommen noch Uraufführungen von zeitgenössischen Musiktheaterproduktionen.

Standard: Was man Stéphane Lissner vorwirft, ist, dass er sehr selten in Wien ist. Kann man wirklich gleichzeitig Musikchef der Wiener Festwochen und Intendant der Mailänder Scala sein?

Bondy: Die Oper ist ja technisch etwas, was man vorausplant. Und Musikchef muss jemand sein, der eine Ahnung hat vom internationalen Markt. Wir sind, wie gesagt, sehr auf Koproduktionen angewiesen. Da ist Lissner bestens vernetzt. Außerdem muss man festhalten: Das, was in Salzburg das Theater ist, ist in Wien die Oper. Für Salzburg ist die Oper einfach wichtiger. Dafür haben wir einfach nicht die gleiche Infrastruktur. Die Erwartungen an unser Musikprogramm haben kein Verhältnis zur Realität.

Standard: Stichwort Salzburg: Wie haben Sie denn die Intendantensuche und -findung empfunden?

Bondy: Ich interessiere mich für Wien und für das Wohlergehen des Festivals, das ich leite, nicht das von Salzburg.

Standard: Das Wohlergehen der Wiener Festwochen wurde heuer allerdings auch von politischer Seite angezweifelt.

Bondy: Wenn das Festival so gesund ist wie dieses Jahr, sind gewisse Kritiker immer froh, doch etwas zu finden, was ihnen nicht passt. Ich erwarte, dass uns bezüglich der Musik finanziell, so wie besprochen, geholfen wird, und nicht, dass die Sorge um das Wohlergehen des Theaters an der Wien wichtiger ist als alles andere. Ich habe ja Gott sei Dank mit dem Festwochen-Präsidenten Rudolf Scholten jemanden, der viel von Kultur versteht. Und dazu einen Bürgermeister und einen Kulturstadtrat, die das für gut halten, was wir machen. Und für die der Erfolg der Wiener Festwochen zählt.

Standard: Was sind Ihre nächsten Pläne in und für Wien?

Bondy: Wenn alles gut geht, habe ich ein schönes Projekt vor mit den Festwochen und dem Burgtheater. Ich möchte etwas machen, wo Birgit Minichmayr eine Hauptrolle spielt.

Standard: Apropos Minichmayr: Verstehen Sie, welchen Wirbel es österreichweit auslöst, wer den Jedermann und wer die Buhlschaft spielt?

Bondy: Ich finde das eigentlich großartig, dass Kultur so eine Hysterie auslösen kann. Diese Form von Aufregungen in Österreich gehört zu den besten Seiten dieses Landes.

Standard: Würde Sie interessieren, den Jedermann neu zu inszenieren?

Bondy: Ich muss gestehen, ich habe mich niemals damit beschäftigt. Insofern kann ich da gar nichts sagen. Ich habe das mal gesehen und fand das Ereignis als solches gar nicht schlecht. Ich finde gut, dass das weiter existiert.

Standard: Derzeit arbeiten Sie in London an Schnitzlers “Liebelei”.

Bondy: David Harrower, ein junger Autor, hat eine Neufassung davon geschrieben. Ich mag diesen Schnitzler sehr, aber andererseits könnte ich nicht mit dem spezifisch Wienerischen im Sprachduktus des Stücks umgehen. Aber auch nicht mit einer Verdeutschung. Max Ophüls hat Liebelei mit Gustav Gründgens und Magda Schneider verfilmt; da sieht man, dass das Stück nicht unbedingt Wienerisch sein muss. Deshalb mache ich es in London. Und auf Englisch. Ich fand Schnitzler immer besser in Paris oder in England. Aber nicht in Österreich.

Standard: Haben Sie schon jemand im Blick, der spielt?

Bondy: Nein, ich will ganz, ganz junge Leute nehmen, ich möchte Liebelei mit 20-jährigen Menschen besetzen. Der Reiz daran ist, dass sie sehr sehr jung sind und schon mit dem Tod flirten.

Standard: Und werden wir diese Liebelei bei den Wiener Festwochen sehen?

Bondy: Ja, das könnte durchaus sein.

(DER STANDARD/Printausgabe, 27./28.06.2009)

Zur Person:
Geb. 1948 in Zürich, aufgewachsen in einer Theater- und Literatenfamilie. Gilt als begnadeter “Schauspieler-Regisseur”. Erste Anstellung mit 21 am Hamburger Thalia Theater. 1985 Leiter der Berliner Schaubühne. 1997 bis 2001 Schauspieldirektor, seit 2001 Intendant und künstlerischer Leiter der Wiener Festwochen

 



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