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12
Feb

Maria Lassnig: In der Kunst ist Eifersucht auch Ansporn

 Hüsteln. Leider, sagt Edelbert Köb, Direktor des Museums Moderner Kunst , “die Wände kann man nicht einfach hinausschieben. Die müsste man zerlegen, zerstören. Und das”, er lächelt Maria Lassnig entwaffnend an, “geht zwei Tage vor der Vernissage beim besten Willen nicht mehr.”

 Das Feintuning von Maria Lassnigs Mumok-Ausstellung (Eröffnung am Donnerstag um 19 Uhr) ist, ja, diskursive Präzisionsarbeit von Köb, Lassnig und Kurator Wolfgang Drechsler. Verhandelt wird die Position von fast jedem der 61 Bilder aus den vergangenen zehn Jahren. Zum Beispiel, ob der nackte Don Juan de Austria in ziemlich provokanter Pose hängen bleiben soll?

Der Kurator hat Einwände, aber: “Bleibt!”, sagt Maria Lassnig. Das Selbstbild mit Drachen allerdings möchte sie lieber in einer anderen Werkgruppierung ausprobieren; ein Drache wäre sie übrigens gern, denn: “Ich bin viel zu sanftmütig. Das sagt mir jeder. Schon als junges Mädchen haben mir die Verehrer gesagt, dass mir alle auf dem Kopf herumtanzen können.” Ja, und apropos sanftmütig, wo bitte schön ist das Bild hin verschwunden, das noch vor ein paar Tagen genau und bestens auf diese eine Wand gepasst hat? “Das”, sagt Wolfgang Drechsler sehr geduldig, “das haben Sie gestern selber aus der Ausstellung herausnehmen lassen.”

 Mittlerweile hängt das Bild wieder. Genau dort. Maria Lassnig, geboren am 8. September 1919 in Kärnten, mag sanftmütig sein. Mitunter ist sie jedenfalls ziemlich starrköpfig. Und auf alle Fälle ist sie eine der international renommiertesten Gegenwartskünstlerinnen Österreichs.

 1980 wurde sie die erste Professorin an einer Kunsthochschule im gesamten deutschsprachigen Raum, da war sie 61. In dem Alter denken andere an Pension. Sie legte erst so richtig los: zweimal Documenta, Biennalen von Venedig und Peking, Museums- und Galerieausstellungen in Europa und den USA, Bestpreise bei Auktionen, unzählige Auszeichnungen wie etwa - als erste Frau - Großer Österreichischer Staatspreis und zehn Jahre später der Oskar-Kokoschka-Preis. Seit sechzig Jahren untersucht Maria Lassnig ihre eigene Körperbefindlichkeit, malt ihre Innenwelten in, wie sie sagt, “Wirklichkeitsfarben: Gedankenfarben, Schmerzfarben und Qualfarben, Druck- und Völlefarben, Todes- und Verwesungsfarben, Krebsangstfarben”. Immer verbindet sie ihre Körpererfahrungen mit den großen philosophischen Themen wie Tod, Liebe, Krankheit, Vergänglichkeit, aber auch Zerstörung der Umwelt, Krieg, Vernichtung.

“Ich fange immer mit der Körpererfahrung an, aber dann kommen die Weltprobleme dazu, die mich gerade beschäftigen. Das Frettchen habe ich beispielsweise in meine Körpergefühle gebracht, weil es bedroht ist. So wie ich.”

 Andrea Schurian: Was hat bei dieser Ausstellung überwogen: Vorfreude oder Furcht?

 Lassnig: Furcht. Ich sage es ganz ehrlich. Ich wusste, dass es eine schwierige Ausstellung wird, weil so viele unterschiedliche Zyklen zu einem Ganzen gefügt werden müssen. Aber es ist doch “nur” eine Geburtstagsausstellung. (Lacht) Die machen das ja nur, damit sie sich keine Vorwürfe machen müssen, wenn ich abkratze.

 A.Sch: Geben Sie Ihre Bilder gern in Ausstellungen?

 Lassnig: Nein! Noch schlimmer ist nur, wenn sie verkauft werden. Ich gebe meine Bilder sehr ungern her. Aber es ist wie mit dem Gras: Man muss das alte abschneiden, damit neues Gras nachwachsen kann. Ich möchte immer wissen, wo meine Bilder hinkommen. In Amerika ist mir zum Beispiel passiert, dass ein solider älterer Herr eines meiner Bilder erworben hat. Nach ein paar Jahren kam ein Mann mit demselben Bild wieder daher - es war der Sohn, der das Bild wieder verkaufen wollte. So gesehen war das ja noch ein Glück: Das Bild ist nicht verschwunden, wir konnten es zurückkaufen. Aber genauso gut könnte es sein, dass irgendeine Kuchlfee das Bild erbt, die es wegschmeißt, weil sie keine Ahnung hat. Davor habe ich wirklich Angst.

 A.Sch: Sind Sie eigentlich eitel?

 Lassnig: Sie brauchen ja nur meine Selbstporträts anzuschauen, dann wissen Sie: Ich bin nicht sehr eitel. Vor allem als junges Mädel war ich es nicht. Nur wenn ein Fotograf in der Nähe war, habe ich mich in Position gesetzt. Jetzt im Alter bin ich eitler geworden. Dass man sich mit Kunst beschäftigt, bedeutet schon auch, dass man die Schönheit liebt. Ich kann in Schönheit schwelgen, zum Beispiel vor Bildern von Velázquez.

 A.Sch: Sie haben sich für die Kunst und gegen eine eigene Familie entschieden. Bereuen Sie das?

 Lassnig: Zu den heiligen Zeiten fühlt man sich vielleicht ein bisschen einsam. Und es wäre sicher angenehm, jemanden zu haben, mit dem man reisen kann. Als ich jung war, war ich oft verliebt. Aber wenn ich geheiratet hätte, dann hätte ich auch kochen müssen.

 Ich war mit einem Franzosen verlobt, er war während des Krieges als Zwangsarbeiter in Kärnten. Aber wie die Franzosen essen! So fein! Ich konnte durch meine Mutter, die ein Bauernkind war, nur Bauernkost zubereiten. Kinder und Kunst, das wäre, für mich jedenfalls, unmöglich gewesen. Aber ich bin zu Tränen gerührt, wenn mich ein Kind streichelt oder eine Katze umstreicht. Und es tut mir um jeden Kuss leid, den ich nicht gegeben habe.

 A.Sch: Sind Sie eifersüchtig?

 Lassnig: Wenn ich zurückgesetzt war als Kind, als Frau, als Künstlerin, war ich traurig und eifersüchtig. Ich glaube, in der Kunst ist Eifersucht auch ein Ansporn. Als ich in Amerika war, gab es richtige Eifersüchteleien zwischen Malern und Filmemachern. Das verstehe ich gut. Ich bin ja auch auf die Fotografie eifersüchtig. Sie braucht weniger Plage und hat größere Wirkung.

A.Sch: Was war die schrecklichste Erfahrung Ihres Lebens?

 Lassnig: Der Tod meiner Mutter. Ich war ein richtiges Mutti-Kind. Wie sehr ich sie gebraucht habe, habe ich erst gemerkt, nachdem sie gestorben war. Dass ich sie auch am Totenbett gemalt habe, kommt mir jetzt seltsam vor. Aber wenn man jung ist, hat man eine rohere Seele als im Alter.

 A.Sch: Apropos Alter: Der Ausstellungstitel “Das neunte Jahrzehnt” missfällt Ihnen, weil er Ihr Alter verrät. Aber Sie könnten doch sehr stolz sein, Sie schauen so viel jünger aus …

 Lassnig: … ja, das glaube ich auch. Aber in Österreich kriegt man als Frau sofort den Jahrgangsstempel aufgedrückt. Doch ich war nie wirklich jung. Und bin jetzt nicht alt. Jetzt muss ich mich wohl damit abfinden, dass jeder mein Alter kennt. Außer, ich wandere aus - nach England. Dort ist das Alter egal, und die Landschaft ist herrlich.

 A.Sch: “Berührung mit dem Jenseits” aus dem Jahr 2002: das letzte Mal, dass Sie sich künstlerisch mit dem Tod beschäftigt haben.

 Lassnig: Ich hatte immer schreckliche Angst, ich habe den Tod abgelehnt und fand es eine wahnsinnige Verschwendung, dass das Leben plötzlich aus ist. Warum das Lebensende am Höhepunkt? Aber jetzt sehe ich, dass man sich von der Welt langsam entfernt. Eigentlich stelle ich mir meinen Tod sehr sanft vor. Irgendwann. Dann.

(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.2.2009)

 

 

 

 

 

 

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