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01
Sep

Veronica Kaup-Hasler: “Zweifel ist mein zweiter Name”

Die Intendantin des Steirischen Herbstes  über x-Beliebigkeit, Finanzierung und Bauchweh vor der Eröffnung

A.Sch: Ihnen kommt bald der Kulturlandesrat abhanden. Was bedeutet die Ablöse Kurt Fleckers für den Steirischen Herbst?

Kaup-Hasler: Schade ist, wenn bei Umbildungen die Kunst aus dem Blickfeld gerät. Kurt Flecker ist ein sehr profilierter, wenn auch streitbarer Kulturpolitiker. Sein großes Verdienst ist, dass er Kulturpolitik zu einem Thema gemacht hat. Er hat sich vehement für zeitgenössische Kunst eingesetzt und auch klargemacht, dass Erfolg keine Quotenfrage ist. Ich hoffe, dass seine Nachfolgerin Bettina Vollath diesen Weg weiter beschreiten wird.

A.Sch: Ihr Motto ist heuer “All the same” . Von Ihnen übersetzt mit: “gleich und gültig” . Was wollen Sie damit sagen?

Kaup-Hasler: Es ist ein Spiel mit dem Begriff des Gleichen, des Wertesetzens und der Maßstäbe. Wir erleben eine zunehmende Entsolidarisierung, andererseits steht die Gleichheit vor dem Gesetz in der Verfassung. Gleichheit ist ein utopisches Moment geworden. Wir wollen teils ernst, teils spielerisch die Generierung von Werten debattieren.

A.Sch: “Gleich und gültig” ist so schön unbestimmt, da kann so ziemlich alles subsumiert werden. Könnte man sich das Motto nicht gleich sparen?

Kaup-Hasler: Ich bin überzeugt davon, dass es für ein so breit gefächertes Festival wie den Steirischen Herbst immer Thesen oder Fragestellungen braucht, als Angebot, wie man auf das Programm fokussieren kann. Gleichzeitig bin ich eine große Skeptikerin bezüglich fundamentalistischer, eindimensionaler Statements. Unsere Welt ist extrem komplex, es ist Aufgabe der Kunst, nicht zu simplifizieren und einseitige Thesen zu verkünden.

A.Sch: Aber wie vermeiden Sie x-Beliebigkeit?

Kaup-Hasler: Durch harte Arbeit. Natürlich besteht die Gefahr von Beliebigkeit immer. Aber ich arbeite in intensivem Austausch mit den Kuratoren; da entstehen Dinge, die man vorher gar nicht so konzipieren kann. Mein Beruf ist es, einerseits in meinem Bereich - Performance, Tanz, Theater - diese Qualität zu erarbeiten, gleichzeitig mit den Kuratoren, die wir einladen. Ich glaube, wir sind international einzigartig, was die Vielfalt anlangt; es wäre ein fataler Fehler, diese große Klaviatur nicht benutzen zu wollen und nur einzelne Sparten anzudenken. Ein Expertenpublikum kann bei uns anderen Sparten, anderen Künstlern begegnen. Daher halte ich auch das Festivalzentrum wichtig als Ort der Begegnung, wo sich die unterschiedlichen Sparten mischen.

A.Sch: Das Besondere am Steirischen Herbst ist nicht nur die Vielfalt, sondern auch, dass es ein produzierendes Festival ist. Das ist teuer. Besteht die Gefahr, aus Geldmangel dann lieber Gastspiele einzuladen?

Kaup-Hasler: Es ist auch politisch gewollt, dass wir neue Arbeiten generieren, also Labor- und Risikoräume schaffen. Das ist außergewöhnlich. Gastspiele sollten Ausnahme bleiben.

A.Sch: Das ist aber auch eine Frage der Finanzierung?

Kaup-Hasler: Richtig. Wenn der Steirische Herbst sein Profil behalten soll für die nächsten fünf Jahre, braucht er ein substanziell besseres Budget. Wir kommen mit Sondersubventionen durch Bund und Land so halbwegs über die Runden, aber wir pfeifen aus letztem Loch. Wir haben derzeit die Finanzierung der 90er-Jahre. Das muss man schleunigst ändern, sonst kann ich den Auftrag, zu produzieren und zu koproduzieren, nicht mehr erfüllen. Ich bin beauftragt, nicht nur etablierte Künstler zu bringen, die längst in Salzburg oder an der Wiener Staatsoper sein sollten, sondern die Jungen zu entdecken. Das Nature Theatre beispielsweise war erstmals bei uns, dann bei den Salzburger Festspielen, nun ist es von der Burg eingeladen worden. Sicher könnte man es sich leichter machen mit Gastspielen. Aber da wäre der Nimbus und auch die international wichtige Funktion des Steirischen Herbstes verloren.

A.Sch: Wie hoch sind Sie budgetiert?

Kaup-Hasler: Wir haben 3,6 Millionen Euro, davon sind an die zwei Millionen Euro Programmbudget nur für die Produktion - jenseits damit in Verbindung stehender Personalkosten, die eigentlich dazugerechnet werden müssten.

A.Sch: Davon kommt wie viel aus dem öffentlichen Topf?

Kaup-Hasler: Das meiste. Wir bekommen inklusive Sondersubventionen vom Land Steiermark 1,9 Millionen Euro, 660.000 Euro vom Bund und 660.000 Euro von der Stadt Graz. Aber die Wahrheit ist: Wir bräuchten insgesamt rund 800.000 Euro mehr, um dem Herbst langfristig sein jetziges Profil erhalten zu können.

A.Sch: Und Sponsoren?

Kaup-Hasler: In Zeiten wie diesen ganz schwierig. Derzeit haben wir 190.000 Euro von Sponsoren.

A.Sch: Hegen Sie zwischen Konzeption und Realisierung manchmal Zweifel, ob alles so wird, wie Sie es wollen?

Kaup-Hasler: Zweifel ist mein zweiter Name. Das ist eine wichtige Energie. Ich bin ein Mensch, der ständig Dinge hinterfragt. Selbst bei großen Erfolgen, die wir in den letzten drei Jahren hatten, ist mir satte Zufriedenheit fremd. Ich bin sofort vom Virus infiziert, es besser machen zu wollen. Voriges Jahr hatte ich etwa der Eröffnung mit Bauchweh entgegengesehen und war dann überrascht, wie gut diese riskante Installation von Steinbrener/Dempf funktioniert hat.

A.Sch: Haben Sie heuer beim “Tempel der Vernunft” , dem Eröffnungsevent von Theater im Bahnhof und raumlaborberlin in der Helmut-List-Halle, eigentlich auch wieder Bauchweh?

Kaup-Hasler: Das Konzept ist ja ganz offensichtlich und bewusst eine Anmaßung. Und es wird - neben vielen spielerischen Elementen - auch Konzentration verlangen. Ich bin sicher, dass es eine wunderbare Setzung wird, aber es ist, wie so vieles im Herbst, riskant. Aber es sind gute Künstler, die das machen, und ich vertraue darauf, dass es aufgeht. Wenn man das nicht aus einer guten Grundposition von Vertrauen und Spannung heraus betreibt, wird man aufgerieben.

(Andrea Schurian, DER A.SCH/Printausgabe, 15.09.2009)

Zur Person:
Veronica Kaup-Hasler, 1968 in Dresden geboren, arbeitete u. a. als Dramaturgin am Burgtheater und bei den Wiener Festwochen. Zwischen 2001 und 2004 leitete sie das Festival Theaterformen in Hannover und Braunschweig. Seit 2006 ist sie Intendantin des Steirischen Herbstes. Ihr Vertrag wurde bis 2014 verlängert.

 



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