02
Mai
Subventionen sind keine Almosen
Alles wird gut. Ganz gewiss! Wiens Kulturstadtrat hat für das Serapions Ensemble im Odeon zwar keine Subventionen, aber immerhin einen guten Rat parat, nämlich: bitte Ruhe bewahren. Das ist sehr lieb vom Stadtrat, weil Odeon-Gründer Erwin Piplits seit Ausbruch der Wiener Theaterreform vor zwei Jahren nervlich eher angespannt ist. Ungefähr so angespannt wie - mangels Subventionszusage - die finanzielle Situation seines Theaters, in das er und seine Lebens- und Arbeitspartnerin Ulrike Kaufmann über die Jahre viel Eigenkapital, ihre ganze Kraft, ihre Phantasie, ihr Talent, kurz: alles gesteckt haben. Das Odeon ist ihr Lebenswerk. International geachtet. Vielfach kopiert. Und weiter?
Am 17. April tagte der Kulturausschuss des Wiener Gemeinderates. Von diesem Gremium hängt viel ab, z.B. eine verbindliche Subventionszusage an das Serapionstheater . Von dieser Zusage wiederum hängt die weitere Planung im Odeon ab, weil sonst hängt das Ensemble in der Luft. Aufgehängt. Abgehängt. Die Stadt Wien hat Einblick in die Konten, weiß, ohne Subventionszusage ist das Odeon tot. Aber: Überraschung! Das Odeon stand am 17. April nicht auf der Kulturausschuss-Tagesordnung. Der Stadtrat mahnt Gelassenheit ein. Nur kein Theater. Es gibt schließlich auch noch einen Kulturausschuss im Mai. Und einen im Juni. Nix genaues weiß man natürlich aus heutiger Sicht nicht, aber eventuell ist das Odeon dann doch ein Pünktchen auf der Tagesordnung. Wobei, einiges wäre im Vorfeld von den Rathausjuristen noch zu prüfen (das hieß es in den vergangenen zwei Jahren verdächtig oft, da wurde geprüft, verworfen, in den Raum gestellt und kaum hatten die Serapionsleute die Prüfungsaufgaben brav erfüllt, Bilanzvorschläge und STiftungskonzepte abgeliefert, Gutachten erstellen lassen, da gab es neue Prüfungen, neue Aufgaben, neue Bedingungen.) Jetzt also die Tantiemen-Nachforderungen von Kaufmann und Piplits. Um wieder Subventionen der Stadt Wien zu bekommen, müssten die beiden zuerst auf ihre in 23 Jahren angelaufenen Tantiemen in der Höhe von 725.055 Euro verzichten. Und ja, die beiden Theaterwahnsinnigen tun genau dies: Sie geben eine bedingte Verzichtserklärung ab: “Dieser Betrag ist nur an uns zurückzuzahlen, wenn der Verein aufgelöst wird und diese Gelder nicht aus Subventionen stammen. Weiters ist nur zurückzuzahlen, wenn alle anderen Verbindlichkeiten zuvor getilgt wurden”. Dem Kulturstadtrat ist das zu wenig, er will den Totalverzicht. Er bezweifelt, dass die Tantiemenforderungen überhaupt berechtigt sind, was insofern eigenartig ist, als das Kontrollamt die Rechtmäßigkeit dieser Nachforderungen längst bestätigte - und nur bekrittelt hatte, dass die Gelder nicht zeitgerecht ausbezahlt worden waren. Ja, eh. Nur haben Piplits und Kaufmann das Geld immer lieber in ihr Theater gesteckt. Aber die beiden sind nunmehr sogar im Falle einer Zusage einer weiteren Förderung zum stadträtlich geforderten Totalverzicht bereit, „weil das lebende Theater und die Existenz der 20 Mitarbeiter absolute Priorität haben.”
Wie klingt das: ein österreichischer (Kultur)Politiker verzichtet freiwillig auf 2.627 Euro monatlich - kein Eckhaus für einen Gutverdiener -, das machte übers Jahr ein bisschen mehr als 31.000€, die er von seinem Gehalt abziehen müsste, in 23 Jahren wären es dann rund 700.000 Euro, die er weniger verdient hätte, aber weil er ein guter Politiker ist, würde er das machen, um, sagen wir: damit ein Theater am Leben zu erhalten. Blöder Witz? Sie haben recht.
Kunstministerin Claudia Schmied stellte unlängst die Frage, was denn einen Künstler zum Künstler mache.Genau das, Frau Minister: zum Bittsteller degradiert, kein geregelter 8-Stunden-Tag, sondern 24-Stunden-Einsatz für einen Hungerlohn; alles erwirtschaftete Geld fließt wieder in die Arbeit, in das nächste Projekt; kein persönlicher materieller Luxus; nicht konsumierter Urlaub schlägt sich natürlich nicht in finanzieller Abgeltung nieder, keine üppige Pension, kein fettes Ministerarbeitslosengeld àla KHG. Nur bei Künstlern gehört das Armutsgelübde zur Jobdiscription.
Im Herbst 2004 forderten die Theaterreformer, nach einer zweijährigen Übergangszeit das Odeon neu auszuschrieben. Also Piplits und Kaufmann zum Aufhören zwingen. Nun ist es, scheint’s, soweit. Weg mit den beiden. Nur offen sagen will es niemand, am wenigsten der Kulturstadtrat. Allerdings: die Einrichtungen des Odeon sind Eigentum des gleichnamigen Theatervereins, auf diesen Verein lautet auch der unbefristete, günstige Mietvertrag. Mit ihren Subventionen hat die Stadt weder Eigentumsrechte erworben noch Ablöseanzahlungen geleistet.
Vielleicht eine kleine Nachdenkhilfe für KulturpolitikerInnen: nein, Subventionsvergabe ist nicht Mäzenatentum; es handelt sich nicht um einen gönnerhaften Gnadenakt, um keine Almosen für Wohlverhalten. Auch nicht um staatliche Zensurmöglichkeit. Subvention ermöglicht.
Nach zwei Jahren Theaterreform wächst die Erkenntnis: nicht das Kuratorenmodell, sondern die gute, alte Gießkanne ist die einzige demokratie- und kulturpolitisch einwandfreie Subventionsvergabe; Kuratoren verwechseln Kunst mit Unkraut und rupfen aus, was die Gießkanne einst zum Blühen brachte. Aber vielleicht wird ja alles wieder vielfältig und gut. Oder?