10
Okt
Frankfurter Buchmesse: 30 Fußballfelder voller Bücher
Nun könnten wir uns ja kurz über eine Literatursendung im Leitmedium unterhalten, die sich angeblich in besonderem Maße an Nicht-Leser wendet - ein lustiges Konzept, das Nachahmer finden könnte: Frauenmagazin für Männer; Autozeitschrift für Fußgänger; Weinjournal für Antialkoholiker. Mehr kann ich zur Diskussion nicht beitragen, weil ich zur anderen Zielgruppe gehöre: ich lese. Selten verlasse ich das Haus, ohne zur Notversorung ein Buch in der Handtasche mitzuführen. Gerade eben Thomas Glavinic’ ausgesprochen erfrischenden Roman „Das bin doch ich”. Vorher Robert Menasses „Don Juan de la Mancha”, vorher Sabine Gruber, vorher Mordecai Richlers „Wie Barney es sieht” (allerdings, falls Sie dieses grandiose Buch auch lesen wollen: schändlicherweise vergriffen und nur mehr im Internet gebraucht erhältlich) und nachher Köhlmeier und Roth und Winkler und Julia Franck….Übrigens! Lesen ist nicht nur Hirntrainung, sondern mitunter auch gut für die Figur, z.B. jetzt in Frankfurt: 180.000 Quadratmeter, vollgestopft mit Büchern. Das sind auf Sport umgerechnet rund 30 Fußballplätze aneinandergereiht, da kann man laufen, aber hallo! Die Frankfurter Buchmesse, allherbstlicher Austragungsort für das weltweit größte Literatur-Ländermatch, etwa 80 Prozent des internationalen Buchhandels werden hier getätigt, 7.300 Aussteller aus 110 Ländern werfen an die 400.000 Bücher auf den Markt, E neben U neben Schund neben Literatur neben Krimis neben Ratgebern neben Weltklasse neben Musikverlagen neben Verlagsriesen neben dicken Schmökern, neben rechtem Käse…. Kleine Verlage mit hervorragendem Programm gehen fast unter im Gewoge. JournalistInnentrauben hängen in den und um die Kojen, in denen die Schreib-Stars gastieren und signieren. Unbekannte SchriftstellerInnen warten scheu auf Interviewfragen, die aber nicht und nicht daherkommen, weil sie sich längst bei den prominenten KollegInnen verfangen haben; Neulinge stehen verlegen bei den Verlagen herum, wandern schließlich fassungslos und zunehmend entmutigt hunderte Titel-Kilometer ab, verfallen in Depression und Krise angesichts von so viel Konkurrenz, fragen sich, wer das wohl aller lesen soll, schwören sich, mit dem Schreiben aufzuhören und können doch nicht anders als schreiben. Gottseidank. Abends dann erhöhte Anforderungen ans Fitness-Bewusstsein bei Verlags-Empfängen und Buchhändler-Parties, da drängen sich Journalisten- zu Autorenschaften, fachsimpeln über den Schrecken vor der ersten Zeile, der ja den Gerichtsreporter ebenso regelmäßig zu überfallen pflegt wie die erfolgreiche Krimi-Autorin. Ja, und?, fragt sich die suchende Leserin nach taglangem Marathon, augenmüd, fußmarod und titelstad; dabei hat sie eh noch Glück gehabt, einen Kilo Lebendgewicht gegen drei Kilogramm Bücher im Handgepäck eingetauscht und Qualität in den Quantitäten entdeckt. Andererseits, alljährlich das gleiche Fazit:
Dabeisein ist nicht alles. Dem Gretchen graut immer noch vor der Frankfurter Buchmesse - aber nicht vor den Büchern.