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Okt
Brandheißes Pflaster: Prominente Gäste in Wien
Mein Vater beispielsweise wollte in Wien nicht einmal begraben sein. Folglich war seine liebste Straße die Triesterstraße. Stadtauswärts. Stars sind da ganz anders. Die fliegen auf Wien. Woody Allen und Leonard Cohen haben sich angeblich sogar überlegt, Häuser zu erwerben. Wurde wohl nichts. Aber! Angelina Jolie und Brad Pitt, mit schwarzen Brillen bis zur Kenntlichkeit als Brangelina verkleidet: schon dagewesen. Sharon Stone, die sich bei Egon Schiele ausweinen wollte. Nachts. Barfuß. Und ganz allein: hatten wir.
Bruce Willis, der eine Fete auf der gegenüberliegenden Restaurantterrasse ausspäht - nichts wie hin also - und sich von hübschen Damen gleich wieder in die Flucht herzen lässt: (sch)lief offenbar überraschend gut in Wien. Und gerade eben ist die mehrfache Oscarpreisträgerin Jane Fonda völlig bodyguard-frei über die Kärntnerstraße geschlendert. Abends wurde die Viennale mit Alan Pakulas „Klute” aus dem Jahr 1971 eröffnet (brachte Jane Fonda seinerzeit übrigens ihren ersten Oscar). Vor und nach der Viennale-Eröffnung war sie im Stephansdom, in der Spanische Hofreitschule, in der Secession, im Belvedere, hat sich in ihr Lieblingsbild, Klimts „Kuss”, vertieft. Zu normalen Öffnungszeiten. Ganz schön extravagant.
Wien ist ein brandheißes Pflaster. Nicht nur jetzt. Aber jetzt ganz besonders. Unsere Trendsportarten: Namedropping und Museumhopping. Bekanntlich ist die berühmte Batliner-Privat-Sammlung auf Einladung Klaus Albrecht Schröders nach Wien übersiedelt, jetzt wohnen dutzende Picassos, weiters einige Monets, Renoir, Modigliani, Matisse, Ernst Ludwig Kirchner, Rothko und Francis Bacon in der Albertina.
Im Belvedere hat Agnes Husslein-Arco eine Riesen-Kunst-WG für französische und österreichische Meister des Impressionismus und der Klassischen Moderne eingerichtet, Vincent Van Gogh, Auguste Rodin, Paul Gaugin neben Gustav Klimt, Oskar Kokoschka, Herbert Böckl und vielen Zeitgenossen hüben wie drüben. Wien-Paris als gesamteuropäisches Projekt. Der späte Tizian zeigt im Kunsthistorischen Museum, wie sinnlich seine „pittura di macchie”, die Flecken-Malerei ist. Im Leopold-Museum sind österreichische ZwischenkriegskünstlerInnen stationiert, wobei das Binnen-I in der Ausstellung nichts verloren hat - reine Männersache: Kubofuturismus, magischer Realismus, Neue Sachlichkeit und sozialkritische Arbeiterkunst. Chinesische KünstlerInnen haben im MuMoK Quartier bezogen und stellen den Realismus-Begriff zur Debatte. In der Kunsthalle residieren Tod und Liebe, La Muerte und True Romances, wie es ich gehört: unter einem Dach. Direktoraler onkurrenzkampf belebt die Szene.Und in der Secession beweisen (Ex)-PräsidentInnen und KünstlerInnen, dass Streiten auch eine Kunst ist. Jaja, die Kunst! Das Publikum! Die Stars! Die landen übrigens in erhöhter Dichte jeden Herbst auf dem zweiwöchigen Cineastentrip namens Viennale, dem größten internationalen Filmfestival in Österreich. Oscarverdächtige und preisgekrönte Spielfilme, großes Erzählkino, Dokumentationen, Kurzfilme und verquere Kopfstücke, 300 Filme aus 35 Ländern von frühmorgens bis weit nach Mitternacht: Schlaflos in Vienna, noch bis 31. Oktober. Triesterstraße stadteinwärts.