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Mrz
Ganz große Klasse: Schul-Platzprobleme in Wien
Soll ich Ihnen was sagen? Sie haben echt Glück, wenn Sie Ihr Kind heuer nicht an einem Wiener Gymnasium anmelden müssen. Okay, war schon im vorigen Jahr nicht das große Los. Da mussten Hunderte Wiener Volksschulkinder mit lauter „Sehr gut” im Zeugnis von der AHS ihrer Wahl mangels Platz abgewiesen werden. Irgendwo, so wurden Eltern und Kinder vertröstet, würden sie schon unterkommen. Wiens Stadtschulratspräsidentin hängte den Schulleitungen vorsichtshalber einen Maulkorb um und das tut sie auch heuer.
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf - zu viele AHS-Anmeldungen - wird heuer anders als im Vorjahr kein Kind von seiner Wunschschule abgewiesen; sondern in einigen Schulen werden wieder bis zu 36 Kinder in eine Klasse gequetscht werden, wurscht, was die Unterrichtsministerin will.
Und die will bekanntlich höchstens 25 (plus zehn Prozent) Kinder pro Klasse, eine diesbezügliche Novelle zum Schulorganisationsgesetz hat sie gerade in Begutachtung geschickt. Allerdings ist diese Höchstzahl sowieso ein Gummibegriff: Letztes Jahr wurden nämlich nur Kinder gezählt, die im Schulsprengel wohnten. „Sprengelfremde” Kinder waren also nicht einmal eine Nummer in der Klassenlotterie.
Damit heuer auch die höheren Jahrgänge etwas von diesem Schulmanagement by „Kopf-in-den-Sand” haben, wird es in den überfrequentierten Schulen Container- und Wanderklassen geben. Heißt so viel wie: Die wandernde 6b erhält in der 1a Deutschunterricht, wenn die gerade im Turnsaal ist; für Englisch wandert die 6b in die 8c, weil die hat dann Zeichnen und wenn keine Klasse irgendwas hat, sitzt die 6b im Chemiesaal.
So viel zum Thema „Der talentierte Schüler und seine Feinde”. Das Buch von Andreas Salcher ist ganz große Klasse. Nicht dass in der Vergangenheit nicht über die Schule diskutiert wurde, nein, alles durchdekliniert, Bildungsmisere, Leseschwäche, Ganztagsschule, Vorschule, gemeinsame Schule, Pisa, Vielfalt, Einfalt, Noten ja, Fünfer nein, Schlagwort hin, Schaumschlag zurück.
Aber jetzt geht es endlich nicht um die (Schul-)Form, sondern um den (Unterrichts-)Inhalt. Fast möchte man weinen, weil ja, genauso kann es Schülern gehen und so fühlen Eltern. Übrigens: Meine Lieblingslehrer unterrichten an der Winslow High, sie sind klug, empathisch, unkonventionell, sie sprechen Klartext, haben Herz, Hirn und Humor und, ja, Burn-out haben sie auch. Wer sie je gesehen hat, der wundert sich nicht, dass katholische Fundamentalisten zum Boykott der Serie und ihrer Sponsoren aufriefen.
Verwunderlich ist eigentlich nur, dass diese ausgezeichnete Serie von Ally-McBeal-Erfinder David Kelley nicht im ORF-Vorabend läuft. „Boston Public” sollte für Lehrer und Schüler eigentlich Pflichtprogramm sein.