18
Apr
Kardinalfehler: Hrdlicka im Dommuseum
Nicht das MuMok in Wien, auch nicht die Museem der Moderne in Salzburg oder Klagenfurt, nicht die Kunsthäuser Graz oder Bregenz, nein. Das Wiener Dommuseum zeigt anlässlich des 80. Geburtstags von Alfred Hrdlicka die Ausstellung „Religion, Fleisch und Macht - das Religiöse im Werk von Alfred Hrdlicka”. Mutig, mutig, denkt unsereins, weil leichte Kost ist das nicht gerade und ein bisschen so, als würde man akkurat in einem islamischen Kulturzentrum die dänischen Mohamed-Karikaturen ausstellen wollen. Sie erinnern sich vielleicht: Randale fanatisierter Islamisten in aller Welt, brennende Botschaften, Warenboykott, Morddrohungen gegen den Zeichner, der z.B. Mohamed auf einer Wolke verzweifeln ließ, weil dem Himmel die Jungfrauen ausgegangen waren, mit denen Selbstmordattentäter im Paradies belohnt werden. Blasphemie? Wurde die Freiheit der Kunst verteidigt?
Politiker aller Schattierungen beschworen den Respekt vor religiösen Gefühlen Eh okay. Und nun hängen also Hrdlickas Bilder im Dommuseum. Bis auf eins, die Interpretation des letzten Abendmahls als Gruppensex-Party ist jetzt weg. Bilder erst einmal auf- und dann, katholischen Protesten folgend, wieder abzuhängen, ist nicht sonderlich geschickt; und natürlich könnten die kopulierenden Apostel interessante Debatten anregen, etwa über Lustfeindlichkeit im allgemeinen und die fragwürdigen Ansichten der katholischen Kirche zu (Homo)Sexualität im speziellen. Trotzdem: der Kardinal, quasi Hausherr, soll schon selber sagen dürfen, was er in seinem katholischen Privatmuseum zeigen will - oder eben nicht. Wenn er glaubt, die Darstellung von Sex beim Abendmahl kränke seine katholischen Klientel, dann soll er das Bild in seinem eigenen Haus abhängen dürfen, mehr noch: im Sinne der Kundenzufriedenheit muss er es tun. Daher ist die veröffentlichte Erschütterung des Wiener Kulturstadtrats unnötige Fleißarbeit. Geht ihn genau gar nichts an, was in einem privaten Haus passiert. Erst, wenn diese katholische Kunstmoral auf städtische oder Bundesmuseen Einfluss nehmen will, dann.
Schönborns Kardinalfehler ist eigentlich nur, dass er dem Kurator und Leiter des Dommuseums offenbar noch nicht ausreichend kommuniziert hat, wie das katholische Kunsthaus denn zu positionieren sei: in der Tradition des begnadeten Predigers und Kunstfreundes Monsignore Mauer, der die Galerie Nächst St. Stephan in den 1950er und 60er Jahren zum aufregenden Zentrum der Avantgarde machte - also, ob das Museum ein Ort der kritischen Auseinandersetzung sein soll. Oder ob man nicht doch lieber nur klerikal-katholische Erbauungs- und Andachtsbilder zeigen sollte. Beides wirklich legitim. Ja, und schließlich stellt sich noch die Frage, warum der Kardinal den Abhängungsbescheid erst nach fast einer Woche erteilte: war der Wirbel beabsichtigte Reklame. Oder, eher anzunehmen: hat er am Abend der Vernissage womöglich nur seitengeblickt statt kunstgeschaut?