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Dez
Pläne für den Augarten:Kinder gegen Kino, das ist Brutalität
Also zum Beispiel diese Sache mit der äußerst raren Spezies Mäzen. Sie wissen schon: das sind Menschen, die viel Geld locker machen, damit Theater renoviert, Bilder aufgehängt, Vorhänge hochgehen und Salzburger Festspiele stattfinden können. Nahezu jede Kulturinstitution pflegt eigene Freundeskreise, um diese Wunderwesen zu umschmeicheln und ihren Geldfluss in die richtigen Kanäle zu leiten. Ja, und plötzlich hat Wien ganz offenbar zu viele Mäzene, die viel Geld an genau der gleichen Stelle loswerden wollen, nämlich im Augarten. Diese grüne Lunge zwischen 2. und 20. Bezirk ist ein Barockjuwel, allerdings mit grindigen Flecken. Die Hundehalter scheren sich null um Leinenpflicht, kein Sackerl fürs Gackerl, manche Wiesen sind dementsprechend zu-äh-, ja genau. Der Augartenspitz - 0,2 Prozent des gesamten Areals - ist so eine Schmuddelecke, und genau dort will Mäzen A eine Konzerthalle für die Sängerknaben und Mäzene B ein Filmkulturzentrum finanzieren. Anrainer und Grüne wollen weder noch, sondern am liebsten Bäume. Und wenn schon, dann lieber ein Filmkulturzentrum, weil da würden sie ja eventuell selber hingehen und zu den Sängerknaben wohl eher die Touristen. Der Kulturkampf tobt. Kinder gegen Kino, das ist Brutalität. Die Konzerthalle für die Wiener Sängerknaben sollte jedenfalls auch anderen kinderkulturellen Einrichtungen offenstehen würde: als Musik- und Theater-Kompetenzzentrum für Kinder und Jugendliche, im besten Fall für solche aus der näheren Umgebung. Hallo: Pisa! Jedenfalls will Peter Pühringers Privatstiftung die Errichtungskosten von elf bis zwölf Millionen Euro sowie 69 Jahre lang die Betriebskosten von 700.000 Euro per anno übernehmen. Super. Doch kaum war das Sängerknaben-Projekt unterschriftsreif, präsentierten Viennale-Direktor Hans Hurch und Ernst Kieninger, Chef des Filmarchivs, ein Filmkulturzentrum als Gegenprojekt. Ingrid und Christian Reder würden den Bau mit 6 Millionen Euro finanzieren, die laufenden Betriebskosten von ca. einer halben Million Euro allerdings hätte die öffentliche Hand zu tragen. Auch ok. Hans Hurch ist ein tüchtiger Viennale-Chef, seine Eröffnungsreden sind stets programmatisch, das Festival-Programm großartig und die Feste fein. Ich wertschätze seine Arbeit sehr. Es ist ihm und uns zu wünschen, dass Wien so viele Filmkulturzentren kriegt, wie Hurch nur möchte. Und das Ehepaar Reder wird hoffentlich ein Filmkulturzentrum auch dann finanzieren, wenn es nicht am Augartenspitz steht. Dieser Tage fiel die Entscheidung zugunsten der Sängerknaben. Die Gulaschkanonen sind im Anschlag. Das Protestzelt steht parat. Die Buben im Matrosenanzug und ihr Mäzen werden nicht erst seit der Pro-Entscheidung persönlich diffamiert, attackiert, brüskiert. Dabei ist in Wirklichkeit alles großartig. Weil, rekapitulieren wir: in Österreich, wo in Sachen Kunst und Kultur aber sowas von eisern gespart wird, gibt es plötzlich fast 20 Millionen Euro aus privater Tasche. Und das ist doch fast ein Weihnachtswunder.