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Nov
Kultur. Kunst. Kinder. Zukunft
Und wir werden es wieder zu hören kriegen, spätestens zum 100. Geburtstag von Astrid Lindgren am 14. November und dann noch allerspätestens am 20. November, dem internationalen Welttag der Kinderrechte, nämlich: dass wir eine Kulturnation sind, der die Kunst etwas wert sein muss und Bildung und Förderung und blablabla und Lesekompetenz und Abenteuer im Kopf und garantiert sagt irgendwer den Satz, dass die Pisastudie kein Ruhmesblatt für unser Land ist und Investitionen in unsere Kinder Investitionen in unsere Zukunft sind. Klingt richtig schön in Feiertagsreden, ist aber offenbar kein Imperativ für politisches Handeln. Nehmen wir beispielsweise das Wiener Kindertheater: seit zwölf Jahren schafft Sylvie Rotter das Kunststück, mehr als hundert Kinder ab sechs Jahren für Texte von Shakespeare, Moliere oder Nestroy zu begeistern, ihnen ein Gefühl für die Schönheit der Sprache zu vermitteln. Nach einem komplizierten Masterplan verteilt sie die Kinder auf Rollen und Abende; in jedesmal neuer, erfrischend wechselhafter Besetzung spielen sie vor ausverkauftem Haus Klassiker der Weltliteratur. Toll die einen. Tollpatschig die anderen. Bewundernswert alle. Also, denken Sie jetzt zurecht, dieses Projekt wird natürlich von der öffentlichen Hand großzügig gefördert, weil: Kultur. Pisa. Kunst. Kinder. Zukunft. Investition. Gegenprogramm zu Komasaufen, Gewalt, Jugendkriminalität. Aber nix is fix bei den öffentlichen Subventionen und so gibt es dieses Jahr von Bund und Stadt Wien insgesamt nur mehr 36.300 statt 49.300 Euro fürs Wiener Kindertheater. Davon zu begleichen: Honorare für Bürokraft, hochprofessionelle Choreographie und Bühnen- und Kostümbildner, Mietkosten für Büro, Probenräume und Theater. Jaja, Gürtel enger schnallen. Sinkende Subventionen werden den Kurspreis in die Höhe treiben, trifft aber bald eh nur mehr die Reichen, weil die Eltern, die sich’s leisten können, werden es sich weiterhin leisten. Und die anderen Kinder, die auch Lust und Talent und Freude am Spiel haben, aber halt leider arme Eltern? (Gem)einsam vorm Fernseher schweigen und die Phantasie mit Gameboys und Playstations verspielen? Älterwerden ist - außer für die Antiaging-Kosmetikindustrie - kein Honigschlecken, Jungsein auch nicht. Rund eine Million Mal pro Jahr wenden sich Kinder und Jugendliche telefonisch an eine anonyme Beratungseinrichtung, bis zu 600 Hilferufe gehen täglich ein. Einer Studie zufolge leiden 75 Pozent der Kinder unter Stress. Angeschwiegen oder angeschrieen, die Folgen stehen täglich auf den Chronikseiten der Zeitungen: magersüchtige Teenager, sich ins Koma saufende Kinder, Messerstechereien. „Das Recht auf Kunst ist ein Kinderrecht” heißt ein hochkarätig besetztes Symposium am 20./21.November im Wiener Museumsquartier. Unter anderem werden die österreichische Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur und Wiens Kulturstadtrat refererieren.Ja, und vielleicht gibt es nicht nur klangvolle Reden. Sondern auch gute Taten. Sie wissen schon: Kinder. Bildung. Chancengerechtigkeit. Kultur. Kunst. Investitionen in die Zukunft. Echt kein Blabla.