05
Dez
Nikolaus: Was darf in gute Stuben?
Ein besonders origineller Internetblogger wollte die Debatte über Verbote von Killervideos und Gewalt-Spielen nach dem Amoklauf in Finnland ein bisschen lustiger machen; er erläuterte die brutale Wirkung von Brot, wies nach, dass soundsoviel Prozent der Brotesser zu Dieben, Mördern etc. werden und forderte, den Brotverkauf zu verbieten. Danke. Gähn. Auch schon mehr gelacht. Zum Beispiel unlängst, als die offenbar dringlichsten kulturpolitischen Fragen der Türkei medial nachbereitet wurden. Der türkische Kulturminister Ertugrul Günay tüftelt nämlich gerade an einer Imagekorrektur. Für den Nikolaus. Dessen Geburtsort Patara liege bekanntlich am Mittelmeeer und dort sei es ja wohl zu heiß für pelzverbrämte Kapuzenmäntel und dicke Mützen. Weshalb Herr Minister Günay die Nikoläuse der Zukunft in Leinenhemd und hochgekrempelten Hosen, vielleicht sogar in Shorts und Badehosen sehen möchte. Großartige Idee, vielleicht darf der Nikolaus dann sogar wieder die städtischen Kindergärten in Wien besuchen. Da hat er nämlich schon seit Jahren Hausverbot. Schluss mit lustiglustigtrallalalala. Kinder fürchten sich angeblich vor diesem weißbärtigen Mann, der ihnen Süßigkeiten bringt, sie dafür lobt, dass sie abends so brav die Zähne putzen, der verspricht, ein gutes Wort beim Christkind einzulegen, sich mit einem Lied feiern lässt und friedlich weiterzieht. Ein Schock für Kinder? Und noch dazu nur für Wiener Kinder? Ist Kärntens Nachwuchs unerschrockener? Macht das Landleben forscher? Ich beispielsweise bin mit Nikolaus (aber garantiert krampusfrei) in Kärnten aufgewachsen und leide nicht unter traumatischen Spätfolgen des Nikolausfestes. Im Gegenteil. Je mehr Nikolaus, desto besser. Dass er im Kindergarten groß und hager, zu Hause eher rundlich war, tat der Freude keinen Abbruch. Meine Kinder freuen sich ebenfalls seit Wochen auf den Nikolaus - und da nicht nur auf seine Schokoladeversion. Also vielleicht täte uns WienerInnen ein bisschen weniger Verlogenheit in der öffentlichen Debatte gut. Z.B. ginge die so: Nikolaus ist - wenn es denn nicht nur um das Verteilen von Schoko-Kramperln gehen sollte - ein christliches Fest; im Kindergarten, zumal in einem Wiener Kindergarten, sind viele andersgläubige Kinder. Die finden den Nikolaus-Besuch vielleicht befremdlich. Stimmt. Aber abgesehen davon, dass die Botschaft - „seid lieb zu den Kindern!” - konfessionsübergreifend tadellos ist: besser, als den Nikolaus abzuschaffen wäre doch, schon im Kindergarten die Bräuche und Feste anderer Religionen kennenzulernen und zu feiern. In wenigen Tagen böte das jüdische Chanukka-Fest dazu eine wunderbare Gelegenheit. Oder Purim. Oder Pessach. Oder das muslimische Eid-al-Fitre-Fest am Ende des Ramadan. Usw. Usf. Wer mit dem Anderen, dem Fremden vertraut ist, wird sich davor nicht mehr fürchten. Mehr noch: wird es akzeptieren und respektieren. Und vielleicht steht dann künftig auch nicht mehr in der Zeitung, „der Adventkranz darf in keiner guten Stube fehlen.” Doch. Natürlich darf er. In jüdischen, moslemsichen, buddhistischen, atheistischen, hinduistischen Stuben fehlt er. Deshalb sind die Stuben trotzdem gut.