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Andrea Schurian

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06
Aug

Ich bitte Sie herzlich!

Etwa 700 Kinder kommen in Österreich jährlich mit einem Herzfehler auf die Welt. Mein Sohn ist eines davon. Über den Zustand unserer Kinderherzchirurgie: Herzensangelegenheiten, eine Attacke.

Und überhaupt sei der Zustand der österreichischen Kinderherzchirurgie nicht von allgemeinem Interesse, sagt der Ressortleiter eines Wochenmagazins. Klar, zu kleine Fall-Zahl: Nicht ganz ein Prozent, genauer gesagt, minimale 0,8 Prozent der Babys kommen in Österreich mit einem Herzfehler zur Welt, wen, bitte schön, soll das denn kratzen außer die betroffenen Eltern? Zur Auflagensteigerung vermutlich schon lieber verpfuschte Nasen, schlecht abgesaugte Fettpölsterchen, Dellentäler am Bauch: Das interessiert die verehrte Leserschaft. So ist das, danke schön.
So gesehen sollte man sich, sagen wir, lieber ein Auto zulegen als ein chronisch krankes Kind. Im Bereich von Fahrzeugmotoren klappt die einheitliche Qualitätssicherung und -bewertung meist bestens. Bei kranken Kinderherzen nicht. Oder sind Ihnen etwa groß angelegte Kinder-Rückholaktionen aus jenen Zentren bekannt, in denen die Mortalitätsrate bei schwierigen Herzoperationen bedenklich höher ist als anderswo? Etwa 700 Kinder kommen in Österreich jährlich mit einem Herzfehler auf die Welt. Mein Sohn ist eines davon: “Loch zwischen den Hauptkammern. Verengte Pulmonalarterie, verdickter rechter Ventrikel, die Aorta entspringt genau über ei- nem Loch, pumpt daher sauerstoffarmes Blut in den Körper. Loch zwischen den Vorkammern. Und vermutlich eine undichte Mitralklappe. Blaues Baby”: Fallotsche Tetralogie, erklärte mir die damalige Chefin der Kinderkardiologie, ist ja auch nur einer von 700 Fällen. Fälle. Sagt man. Und meint Kinder: kranke Kinder, operierte Kinder, überlebende Kinder, behinderte Kinder, tote Kinder, Kinder, die auf ein neues Herz warten. Und man meint bekümmerte, verzweifelte, oft überforderte, verängstigte Eltern, die sich schuldig fühlen und hilflos. Die nicht via Telefon die niederschmetternde Diagnose erfahren möchten; und die auch nicht brieflich vom Operationstermin verständigt werden wollen, wenn es doch bei regelmäßigen Kontrollbesuchen genügend Möglichkeiten zur Besprechung gäbe. Sondern die, jawohl!, Anrecht haben auf ausführliche Gespräche mit den zuständigen Ärzten. Die Aufklärung verdienen über die Schwere des Fehlers, Information über adäquate Behandlungsmethoden.

Immerhin eineinhalb Jahre ist es her, dass engagierte Ärzte in dem Buch “Weggelegt - Kinder ohne Medizin” (Czernin Verlag) im Bereich der Kinderherzchirurgie signifikante Qualitätsunterschiede innerhalb Österreichs aufzeigten - und zwar anhand von Zahlenmaterial, das die Autoren (anerkannte Kinderärzte und großteils Universitätsprofessoren) vom ÖBIG, dem Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen, erhalten hatten. Das Ergebnis ihrer Recherchen: 70 Prozent aller Operationen an Neugeborenen und ganz kleinen Säuglingen werden am Linzer Kinderherzzentrum durchgeführt; vor allem bei unter einjährigen Kindern und sehr komplexen Herzfehlern erzielt das Linzer Ärzteteam beste Ergebnisse. Mehr noch: Kinder mit ganz schweren Herzmissbildungen wie beispielsweise dem Hypoplastischen Linksherz werden mittlerweile österreichweit ausschließlich in Linz operiert. Längst schicken Kinderärzte und Gynäkologen herzkranke Kinder direttissimo nach Linz. Nur offiziell sagen darf man’s nicht. - Denn was folgte auf die Veröffentlichung der Zahlen? Womöglich gar eine fundierte, engagierte Debatte auf höchstem medizinischem Niveau? Gesundheitspolitische Veränderungen? Skandal, rief als Erstes ein Krankenhausdirektor, alles nicht wahr! Die Zahlen stimmen doch gar nicht - oder zumindest sind sie falsch interpretiert. Und die steuerzahlende Untertanin darf sich erstaunt fragen, wieso, bitte schön, die Zahlen des ÖBIG nicht stimmen? Liefern etwa die Krankenanstalten falsche Zahlen? Nur zur Erinnerung: Auf Basis dieser Zahlen wird in Österreich Gesundheitspolitik gemacht. Zumindest laut gesetzlichem Auftrag erfüllt das ÖBIG Forschungs- und Planungsaufgaben und erarbeitet Methoden zur Erfassung von Daten, die für den Gesundheitszustand der Bevölkerung von Bedeutung sind. Das ÖBIG soll also diese Daten sammeln und analysieren. Sie dienen als Orientierungshilfen bei der Planung und Organisation der ärztlichen und spitalsmäßigen Versorgung, der Präventiv- und Sozialmedizin sowie der Umwelthygiene. Ja, und dann steht in den Statuten noch: Als wissenschaftlicher Dienstleistungsbetrieb steht das Institut grundsätzlich jedem Auftraggeber zur Verfügung. Vom ÖBIG also haben die Autoren die wenig erbaulichen Zahlen her, deren Interpretation übrigens ein habilitierter Biostatistiker der TU Wien als korrekt beurteilt.

Aber ach, riefen flugs auch jene Ärzte, bei denen es eher nicht so toll ausschaut in Sachen Kinderkardiologie und -herzchirurgie, aber ach! Die Zahlen stimmen nicht. Zumindest so nicht. Und alle, alle waren beleidigt, in ihrem Amt und ihren Würden: der Rektor der Wiener Medizinuniversität, der medizinische Direktor des Wiener AKH, der Leiter der AKH-Kinderklinik und die Kinderkardiologen und -chirurgen des AKH. Nicht zu vergessen Wiens damalige Gesundheitsstadträtin Elisabeth Pittermann. Die war auch beleidigt. Anstatt sich zum Wohl unserer Kinder mit Kritik auseinander zu setzen, gab’s Disziplinarverfahren, und die Stadt Wien als Spitalserhalter klagte einen der Herausgeber des Buches. Offizieller (und eher seltsam anmutender) Klagegrund: Wettbewerbsverzerrung auf dem kleinen Markt der österreichischen Kinderherzen. Inoffizieller Klagegrund: gekränkte Eitelkeiten.

In zähen und existenzgefährdenden Verhandlungen wird also derzeit geklärt, was höher zählt: optimale Versorgung der Kinder oder verletzter ärztlicher Stolz. Ob Ärzte des Wiener AKH sagen dürfen, dass die Sterblichkeitsrate in Linz geringer ist als die in Wien - oder ob das unlauterer Wettbewerb ist. Und ganz nebenbei wird natürlich auch demonstriert, dass engagierte Ärzte und Ärztinnen künftig besser daran tun, den Mund zu halten, auch wenn’s zum Schaden der Patienten ist.

Gesundheitsministerin Rauch-Kallat ließ die im Buch genannten Fakten von einem Expertenteam überprüfen, dem unter anderen Aldo Castaneda angehörte, einer der weltweit erfahrensten Kinderherzchirurgen. Die Fachleute bestätigten weitgehend die Erkenntnisse des Buches und empfahlen, man möge sich doch im kleinen Österreich auf zwei Kinderherzzentren beschränken. Denn um gute Resultate zu erzielen und ausreichend Routine erwerben zu können, sollten an einer Klinik jährlich etwa 250 Operationen durchgeführt werden. In Linz, dem größten heimischen Zentrum, wurden im vergangenen Jahr 270 kranke Kinderherzen operiert - so viel wie in den drei anderen Zentren zusammen.

Nun, eineinhalb Jahre nach dieser Expertenerkenntnis, gibt es in Österreich statt vier Zentren - vier. Beziehungsweise eins (in Linz) plus drei kompetenzvernetzte (in Wien, Graz und Innsbruck). Dieses kinderherzchirurgische und -kardiologische Kompetenznetz zwischen den Medizinuniversitäten wurde an einem schönen Juni-Montag in Wien präsentiert. Dabei fiel folgender Satz: “Es gibt auch unterschiedliche Auffassungen über die Behandlung. Wir in Wien treffen eben manchmal andere Entscheidungen als anderswo. Wir warten ab. Man muss ja nicht immer so früh wie möglich operieren.” In der Tat: Am AKH trifft man eben manchmal andere Entscheidungen als anderswo.

An demselben schönen Juni-Montagvormittag, an dem man in Wien das Kompetenznetz vorstellte, wurde am Linzer Kinderherzzentrum ein zwei Wochen altes Baby mit Fallotscher Tetralogie operiert. Der Zustand ernst. Zuwarten? Erst einmal Medikamente geben? Oder, wie international üblich, lieber doch ehestmöglich operieren?

Der kleine Mario wurde im Hubschrauber von Wien nach Linz geflogen. Zwei Wochen später, am 25. Juni, durften die Eltern ihr Baby nach Hause nehmen, mit repariertem Herzen. Marios Mutter hatte schon während der Schwangerschaft vom Herzfehler ihres Sohnes erfahren. Nein, in Wien würde sie ihr Baby keinesfalls operieren lassen, sagte sie vor der Geburt; und das einzige Mal während unseres Gesprächs kullerten Tränen über ihre Wangen: “Uns sind damals im AKH die kleinen Kinder nach den Katheter-Untersuchungen unter der Hand weggestorben”. Damals, das war Mitte der Neunzigerjahre, da war Marios Mutter Lernschwester auf der AKH-Kinderkardiologie.

Damals, es war Ende November 1996, war ich im siebten Monat schwanger, und bei einer pränatalen Untersuchung wurde der Herzfehler meines Sohnes festgestellt. Aber, natürlich, das ist Vergangenheit.

“Wir reden heute nicht über die Vergangenheit”, da sind die Herren Professoren an diesem wunderschönen sonnigen Juni-Montag während der Kinderherz-Kompetenznetz-Präsentation ganz eins, “sondern über Gegenwart und Zukunft.” Vergangenheitsbewältigung in Österreich: Glücklich ist, wer verdrängt?

Noch während der Schwangerschaft machte ich mich kundig, wie viele Fallot-Kinder mit welchen Erfolgen in welchem Alter am AKH operiert werden. Ich traf einen äußerst verständnisvollen Chirurgen, der aber im Wesentlichen sehr liebenswür-dig nichts sagte und mir auf Fragen nach Sterblichkeitsrate, Statistiken und persönlichen Erfahrungswerten - leider! - keine konkreten Zahlen nennen konnte. Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein: Die Eltern sollen ja nicht mit Zahlen verunsichert werden. Der kinderkardiologische Rat: Zuwarten, bis es schlechter wird. Keine schönen Zukunftsaussichten. Unser blaues Baby wurde bald nach der Geburt auf Betablocker gesetzt. Drei hypoxämische Anfälle in den ersten drei Monaten heißt so viel wie: Nur sauerstoffarmes Blut wird in den Körper gepumpt. Manchmal erleiden Babys Gehirnschläge in diesem Zustand. Manchmal sterben sie auch. Manche bekommen einen Leberschaden. Die Gefäße leiden. Also zuwarten, bis es noch schlechter wird? Spezialisten in Deutschland, Italien, den USA rieten uns zu rascher Operation. “Oder wollen Sie, dass Ihr Kind bei einem hypoxämischen Anfall stirbt?”

Doch, bitte, reden wir über die Vergangenheit, damit die Zukunft besser wird.

4. Juni 1997: Der Chirurg öffnete den Brustkorb, sägte die Rippen durch, schnitt ins Herz, flickte die Löcher, verlegte die Arterie, hobelte den verdickten Herzmuskel ab, entfernte die verkrüppelte Pulmonalklappe, weitete die verengte Lungenarterie. Sechs Stunden hing unser Sohn an der Herz-Lungen-Maschine, im Alter von vier Monaten wurde er am New Yorker Presbyterian Hospital der Columbia University von Jan Modest Quaegebeur operiert. Dessen Spezialgebiet: Fallotsche Tetralogie. Sein OP-Pensum: zwei Kinderherzen am Tag. Sein Prinzip: Totalkorrektur so früh wie möglich, um die psychischen und physischen Folgeschäden für das Kind denkbar gering zu halten. Sterblichkeitsrate (im Internet nachzulesen): unter einem Prozent. Nach 15 Tagen verließen wir das Krankenhaus. Unser Kind war kein blaues Baby mehr und hat sich in der Zwischenzeit zu einem quicklebendigen, sportlichen, klugen, gesunden Lauser entwickelt.

Der kleine Y. hatte nicht so viel Glück. Er wurde nur einen Tag nach meinem Sohn, am 5. Juni 1997, am offenen Herzen operiert. Allerdings nicht in New York, sondern am AKH Wien. Er war zum Zeitpunkt der Operation sechs Monate alt. Sieben Wochen nach dem Eingriff, am 25. Juli, wurde er aus dem Spital entlassen: gehirngeschädigt, in seiner Motorik eingeschränkt, mit Saug-, Schluck-, Koordinationsstörungen. Experten vermuten, dass es während der Operation phasenweise wohl zu unzureichender Sauerstoffversorgung des Gehirns gekommen sein könnte, sowie unter anderem zu einer temporären Entgleisung des Hirnstoffwechsels. Doch Genaues könne man nicht sagen, nur so viel: Die Operation sei, so die Experten, lege artis durchgeführt worden. Mit anderen Worten: Es scheint zwar etwas schief gelaufen zu sein bei diesem Eingriff, aber niemand hat Schuld. (Folglich auch keine finanzielle Unterstützung für die Eltern, die ab nun ein geistig und körperlich behindertes Kind pflegen müssen.) Kann passieren. Herzoperationen sind lebensgefährlich, stimmt schon. Auch wenn wir Eltern es nicht wahrhaben wollen: Komplikationen gibt es auch an den besten Herzzentren weltweit.

Interessant im Falle Y. war allerdings die Reaktion der Ärzte und Ärztinnen am AKH. Das Kind sei schon vor der Operation gehirngeschädigt gewesen, sagten sie den Eltern. Kinderärzte, die Y. vor der OP behandelten, verneinen dies entschieden.

Aber in dieser grauen Vergangenheit, über die heute niemand mehr sprechen will, war dies am AKH offenbar ein gängiges Erklärungsmuster. Auch den Eltern der kleinen Lisa wollte man weismachen, dass ihre Tochter schon vor der Herzoperation zerebral geschädigt gewesen sei. Lisa wurde, wie mein Sohn, mit Fallotscher Tetralogie geboren. Im Alter von eineinhalb Jahren wurde sie am 11. Mai 1995 am AKH korrekturoperiert. Die Operation verlief komplikationslos, der Chirurg hatte beste Arbeit geleistet. Dennoch verließ Lisa das AKH schwerstbehindert. Irgendetwas war schief gelaufen - später, nach der OP, auf der Bettenstation der Kinderkardiologie. Dieses “Irgendetwas” war unter anderem ein riesiger Herzbeutelerguss, den man im Ultraschall wohl gesehen, aber offensichtlich unterschätzt hat. Das Gedächtnisprotokoll der Eltern besagt: Der Zustand des frisch operierten Mädchens verschlechterte sich rapid, die besorgte Mutter wurde beschwichtigt, der Alarm des Überwachungsmonitors bagatellisiert. Lisa erlitt einen Herzstillstand, erst eine Herzmassage am offenen Brustkorb brachte das Herz wieder zum Schlagen. Die Kardiologen fanden kein tröstendes Wort für Lisas Eltern. Am 23. Juni 1995, nach knapp sieben Wochen, wurde das Mädchen quasi im Wachkoma entlassen. Die Eltern klagten - und der Fall Lisa wurde zum Kriminalfall. Bei Gericht sollte auch das Videoband mit Lisas Herzultraschall-Untersuchungen vorgeführt werden, allein: Es war verschollen. Später tauchte es wieder auf, allerdings war genau die wesentliche Stelle gelöscht. Das Bundeskriminalamt Wiesbaden wurde eingeschaltet. Ergebnis: Beweismaterial war vernichtet worden. Von unbekannt.

1995, im gleichen Jahr, als Lisa ihren Eltern im Wachkoma übergeben wurde, in dieser grauen Vorzeit also, über die jetzt lieber nicht geredet wird, gründeten die jungen Ärzte Gerald Tulzer, Rudolf Mair und Gertraud Geiselseder das Kinderherzzentrum in Linz. “Ohne Notwendigkeit”, wie ein Professor des Wiener AKH bei der Kompetenznetzpräsentation anmerkte.

Tatsächlich ohne Notwendigkeit? Die Linzer sagen, dass sie damals nicht mehr mit ansehen konnten, wenn mehr als die Hälfte der Kinder mit sehr komplexen Herzfehlern als inoperabel zurückgeschickt wurde. Oder zwischen 1987 und 1992 etliche Kinder mit einer “Transposition der großen Gefäße”, einer äußerst komplizierten Herzmissbildung, zur Operation an Unikliniken überwiesen wurden, aber nur die Hälfte lebend zurückkam. Also absolvierten die drei Ausbildungen an den führenden Herzzentren der USA, operierten unter Aufsicht der erfahrensten Chi- rurgen mit dem Ziel: zu den Besten zu gehören. Unterstützt von Professor Brücke, dem damaligen Chef der Kardiologie, bauten sie das Linzer Kinderherzzentrum auf und im Laufe von zehn Jahren zum erfolgreichsten Österreichs aus. So wurden im ersten Jahr 95 Kinder in Linz operiert, voriges Jahr waren es bereits 271.

T. ist ein Kind mit besonders schweren, komplizierten Herzfehlern: Trikuspidalatresie, Transposition der großen Gefäße, unterbrochener Aortenbogen, Löcher zwischen Vorkammern und Hauptkammern. Der Bub wurde im Laufe seines zehnjährigen Lebens mehrmals operiert, zuerst in Wien. Aber die hier immer noch gängige Therapieform “Abwarten, bis es schlechter wird” wollte der Mutter nicht mehr behagen. Also Linz. Die erste Operation in Linz verlief bilderbuchreif. Beim letzten in einer ganzen Reihe schwerster Eingriffe wurde beim Öffnen des Brustkorbes das Herz verletzt, das am Brustbein festgewachsen war. Am Röntgen konnte man diese Verwachsungen nicht sehen. Jedenfalls geriet Luft ins Herz und in weiterer Folge ins Gehirn. T. erlitt einen Herzinfarkt und einen Hirnschlag, musste am OP-Tisch reanimiert werden. Der Operateur und sein Team behielten die Nerven und operierten im Anschluss acht Stunden am offenen Herzen. Jeder weniger routinierte Chirurg hätte den Eingriff vermutlich abgebrochen, wissend, dass T. nach dem Herzstillstand in absehbarer Zeit nicht mehr an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen werden könnte. Wissend, dass dies auch das Todesurteil für T. bedeuten könnte.

T. überlebte, sein Herz funktioniert bestens, aber sein Körper nicht. T. ist spastisch gelähmt, kann nicht allein gehen. Fehler passieren, es gibt es keine 100-prozentige Erfolgsgarantie. Die Frage ist nur: Wie geht man mit Fehlern um? In Linz erhält die Mutter Einblick in den Operationsbericht (im AKH Wien kopieren Eltern nachts heimlich den OP-Bericht). Chirurg und Kardiologe kommen täglich zu Mutter und Kind. Die Ärzte empfehlen optimale Therapiemöglichkeiten. Dennoch hat die allein erziehende Mutter den Patientenanwalt eingeschaltet. Sie möchte die Berichte aller Operationen - auch von Wien - einsehen. Sie möchte überprüfen, ob womöglich schon bei früheren Operationen einiges schief gelaufen ist. Ob die Verletzung des Herzens in Linz hätte verhindert werden können. Und sie möchte nicht allein gelassen sein mit ihrem behinderten, pflegebedürftigen Kind.

Denn kranke Kinder sind kein individuelles Problem betroffener Eltern, nein, wir sind nicht schuld an ihren Krankheiten. Aber wir sind verantwortlich dafür, dass unsere Söhne und Töchter bestmöglich behandelt werden. Damit wir diese Verantwortung auch übernehmen können, brauchen wir möglichst umfassende Information, Aufklärung, kritische Auseinandersetzung, schonungslose, ehrliche Analyse zum Wohle unserer Herz-Kinder. Wir brauchen Ärzte mit Mut zur Wahrheit. Wir brauchen auch Ihre Solidarität. Die können Sie übrigens unter www.weggelegt.at bekunden.

Ja, und abgesehen davon sind natürlich nicht nur in Linz, sondern auch an den Unikliniken in Wien, Graz und Innsbruck viele herzkranke Kinder gerettet, gut operiert und versorgt worden. Kritische Analyse ist nämlich nicht Wettbewerbsverzerrung, sondern einzige Chance, das Gute besser zu machen.



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